Hinter dem Horizont: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)
irgendwelche Fremden von diesem sagenumwobenen Projekt erzählten. Vielleicht hatten sie gar nicht die Absicht, ihre eigenen Geheimnisse preiszugeben, oder sie bestritten einfach, über ein Fluggerät zu verfügen. Dann wären wieder einmal alle Hoffnungen verpufft.
Der Junge warf einen Seitenblick auf seinen Vater, der vor Ungeduld die Fäuste geballt hatte, und schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass ihnen das Glück diesmal zur Seite stehen möge.
Doch wie zum Hohn reckte in diesem Augenblick der Mann am Heck des Motorboots den Kopf, schrie seinem Vordermann etwas zu und zog am Hebel des Ruders. Mit aufheulendem Motor beschrieb das Boot einen Halbkreis und preschte in der Gegenrichtung davon.
»Was machen die denn?«, rief der Stalker konsterniert. »Habt ihr das gesehen? Wie soll man das verstehen? Haben ihnen unsere Visagen nicht gefallen?«
»Bitte nicht verallgemeinern, Kommandeur«, merkte Gennadi spitzbübisch an. »Mit meiner Visage ist jedenfalls alles in Ordnung.«
Doch Taran war nicht nach Scherzen zumute. Während er sich den Kopf darüber zerbrach, warum die Delegation aus heiterem Himmel abgedreht hatte, wimmelte er Aurora ab, die ihn fieberhaft am Ärmel zupfte. Erst als er die hermetische Tür quietschen hörte, blickte er sich um und sah, wie Gleb gerade ins Freie schlüpfte.
Der Stalker setzte sich eine Atemmaske auf und kletterte seinem Sohn hinterher. Als er draußen war, blieb er mit offenem Mund stehen. Von der Gebirgskette im Westen wälzte sich eine riesige, pechschwarze Rauchwolke in Richtung Tal und näherte sich bedrohlich schnell Kaspisk. Gegen alle Gesetze der Physik bildete sie ungleichmäßig verteilte Flecken am Himmel.
»Mein Scharfschützengewehr, schnell!«
Wie ein geölter Blitz sauste der Junge in den Transporter zurück und reichte seinem Vater kurz darauf die Waffe. Taran peilte mit der Zieloptik die nächstbeste Rauchwolke an – und dann sah er es …
Myriaden grässlicher, geflügelter Bestien, die wie ein Heuschreckenschwarm am Himmel kreisten, als warteten sie nur auf das Kommando, sich auf die schutzlose Stadt herabzustürzen. Wäre nicht das Geflatter der schwerelosen Flügel gewesen, man hätte die Monsterinsekten für Ameisen halten können. Allerdings für riesenhafte Ameisen. Der Stalker, der in seinem Leben schon so manches gesehen hatte, war jedenfalls geschockt.
»Gleb, kannst du beten?«
»Nein.«
»Dann kreuze die Finger. Das bringt Glück. Und das brauchen wir jetzt mehr als je zuvor.«
Schrille Adlerschreie weckten Sungat aus seiner Ohnmacht. Der Mutant flog immer noch in luftiger Höhe und hielt seine Beute in den Krallen. Der Steppenhund spürte seine Glieder nicht mehr und war völlig unterkühlt vom eisigen Wind, der an seinem Schutzanzug zerrte.
Ein intensiver, belebender Geruch, der durch den Filter der Gasmaske drang und in der Nase kitzelte, machte Sungat endgültig wieder munter. Es war der feuchte Duft des Meeres …
Die glitzernde Wasseroberfläche zog in rasendem Tempo unter dem unfreiwilligen Passagier vorbei. Als Sungat in der Ferne die von Häusern gesprenkelte Uferlinie sah, stieg plötzlich eine maßlose Wut in ihm auf. In den Fängen eines dummen Vogels zu krepieren, war kein würdiges Ende für ihn, den designierten Herrscher der unterirdischen Stadt!
Der Bandit blendete die Schmerzen aus und fummelte suchend an seinem Waffengürtel. Mit klammen Fingern ertastete er das rippige Gehäuse einer Handgranate. Nein, die Beruhigungspille wollte er sich für den Notfall aufheben. Lieber schnell und schmerzlos sterben, als bei lebendigem Leibe aufgefressen werden. Der Steppenhund tastete weiter, bis er den Griff des erbeuteten Messers spürte.
Allen Zorn und Hass, der sich in den letzten Tagen bei ihm angestaut hatte, legte Sungat in diesen einen Stich, mit dem er der Bestie das Bein aufschlitzte. Als der Mutant reflexartig die Zehen öffnete, begannen sich Himmel und Erde wie verrückt zu drehen. Der plötzlich schwerelose Körper reagierte mit heftigem Brechreiz auf die neue Gefahr. Mit aufgerissenem Mund stürzte Sungat ins Leere und strampelte instinktiv mit den Beinen im fruchtlosen Versuch, den freien Fall zu stoppen. Der Luftstrom riss ihm die Gasmaske vom Kopf, der Wind heulte ihm um die Ohren, und in seinem Kopf pulsierte nur ein einziger Gedanke: Ich will leben!
Der Steppenhund hatte längst realisiert, dass seine Idee, sich ins Wasser zu stürzen, kein Geniestreich war. Aus dieser Höhe hätte er ebenso gut aufs
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