Hinter dem Horizont: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)
sie auf Anordnung des Verteidigungsministeriums aus einem Moskauer Labor erste Entwicklungen der revolutionären Nanotechnologie, sogenannte Genmodifikatoren erhielten. Mit deren Hilfe war der Durchbruch gelungen: Die Züchtung eines Stamms von Mikroorganismen, die Radionuklide nicht nur absorbieren konnten, sondern deren Kerne rasch zerfallen ließen und sich die dabei frei werdende Energie zunutze machten.
»Ich weiß nicht, wie ich das einfach und verständlich erklären kann …«, grübelte der Wissenschaftler laut, während er die Stalker durch einen endlosen Schlauch verstaubter Räume führte, die mit komplizierten Gerätschaften vollgestellt waren. »Also: Es gibt eine Theorie, derzufolge es möglich ist, die Kerne von Radionukliden durch ein speziell konfiguriertes wechselndes Magnetfeld zu destabilisieren. Mit anderen Worten: Wenn man es schafft, in den Kernen von radioaktiven Elementen Chaos zu säen, so verkürzt dies zweifellos ihre Halbwertszeit! Zunächst war man der Meinung, dass dies durch extrem starke Elektromagneten zu bewerkstelligen sei, doch der probeweise Betrieb einer Entsorgungsanlage für radioaktiven Abfall zeigte, dass diese Methode nicht funktioniert. Es stellte sich heraus, dass nicht die Stärke des Magnetfelds entscheidend ist, wie wir alle irrtümlich glaubten, sondern die abrupte Änderung seiner Konfiguration! Erzeugt man diese Konfigurationsänderungen in einem bestimmten Rhythmus, so bewirkt dies den Zerfall des Kerns.«
Als der Unterirdische bemerkte, dass der Mutant längst abgeschaltet hatte, wandte er den Blick voller Hoffnung auf Taran.
»Klingt ein bisschen wie ein Ausschnitt aus einer Science-Fiction-Fernsehserie, aber erzähl trotzdem weiter«, ermunterte ihn der Stalker. »Mich interessiert vor allem, welche Rolle die Genmodifikatoren bei der ganzen Sache spielen.«
»An diesem Punkt …« Der Zeigefinger des Wissenschaftlers schnellte feierlich in die Höhe. »… nähern wir uns dem Kern jener Erfindung, der ich den Großteil meines Lebens gewidmet habe! Haben Sie schon mal von Mikroorganismen gehört, die über die Eigenschaften eines biogenen Magnetiten verfügen? Nun, ich sehe an Ihrem Gesichtsausdruck, dass dem nicht so ist. Also: Eine Kolonie solcher Bakterien kann nicht nur auf ein äußeres Magnetfeld reagieren, sondern ist darüber hinaus in der Lage, ein eigenes Magnetfeld zu erzeugen! Nach langwierigen Experimenten mit dem Genom ist es uns gelungen, einen Stamm zu züchten, der über beide Eigenschaften gleichzeitig verfügt – der also sowohl zur Biosorption schwerer Elemente fähig ist als auch die Wirkung eines Magnetiten entfaltet!«
»Warte mal«, bremste Taran den quasselnden Wissenschaftler. »Das heißt, im Endeffekt habt ihr ein biologisches Zeugs entwickelt, das Radionuklide in sich anreichert und sie rasch zerfallen lässt?«
Der Unterirdische nickte beflissen und begann fieberhaft seine beschlagene Brille zu putzen.
»Ganz so einfach ist es natürlich nicht … Der Vorgang ist wesentlich komplizierter und beinhaltet unendlich viele Nuancen, über die man stundenlang reden könnte. Aber den Kern der Sache haben Sie richtig erfasst. Dieses ›Zeugs‹, wie Sie sich ausgedrückt haben, absorbiert die radioaktive Strahlung nicht nur.« Der Wissenschaftler legte eine effektvolle Pause ein und setzte ein geheimniskrämerisches Grinsen auf. »Die Energie, die beim Kernzerfall freigesetzt wird, forciert die Vermehrung der Bakterien! Können Sie sich vorstellen, was das für die globale Wissenschaft bedeutet? Ein Mittel, das in der Lage ist, den Planeten von radioaktiver Strahlung zu säubern! Ein Mittel, das diesen Augiasstall ein für alle Mal ausmisten wird!«
»Alpheios …«, murmelte Gennadi und zwinkerte dem Stalker zu.
Der Unterirdische sah den Mutanten befremdet an.
»Ja, Alpheios. Woher wissen Sie den Namen des Projekts, wenn ich fragen darf?«
»Das ist eine lange Geschichte«, antwortete Taran für seinen Freund. »Wie ist der Stand der Dinge jetzt? Existiert das Mittel noch?«
»Wissen Sie, das ist alles nicht so einfach …«, seufzte der Wissenschaftler. »Es ist uns nicht gelungen, eine stabile Form zu entwickeln. Der Bakterienstamm lebt eine bestimmte Zeit, aber nur so lange er genug ›Nahrung‹ hat. Sobald das Strahlungsniveau unter einen gewissen Pegel fällt, sterben die Mikroorganismen ab. Dasselbe passiert übrigens auch, wenn die Strahlendosis zu hoch ist. Das Hauptproblem besteht also darin, den Stamm gegenüber sich
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