Hinter dem Horizont: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)
gelangweilt, wie der Becher unter eine Pritsche rollte, schloss die Augen und döste sofort wieder ein.
»Wäre es wirklich so schwierig gewesen, das Ding in die Mitte zu schieben?«
Gennadis Genörgel weckte den Arzt mit einem Schlag wieder auf. Provozierend schaute er den Mutanten an, und dieser ließ sich nicht lange bitten.
»Du weißt doch, dass wir jeden Tropfen sparen müssen!«
»Das sagt der Richtige!«, giftete der Arzt zurück. »Du hast mehr Wasser als alle anderen getrunken. Dabei hättest du dich ruhig mit geschmolzenem Schnee begnügen können. Grüner wirst du sowieso nicht mehr.«
Gennadi war Hänseleien gewohnt und hatte sich normalerweise bestens im Griff. Diesmal jedoch konnte er die gehässige Bemerkung einfach nicht ignorieren. Seine Nasenlöcher blähten sich vor Wut, und sein feindseliger Blick verhieß nicht Gutes.
Auch Dyms Kontrahent kam immer mehr in Rage. Seine trüben, mit roten Äderchen durchzogenen Augen funkelten böse. Weiß der Henker, was der Grund für den plötzlichen Jähzorn war, doch in diesem Moment gingen mit dem Heiden sämtliche Gäule durch.
»Ach, was rede ich von geschmolzenem Schnee. Direkt aus Pfützen solltest du saufen! Wer weiß, vielleicht würdest du dich dann – wie im Märchen vom Zicklein Iwanuschka – in irgendwas Anständiges verwandeln. In einen Menschen zum Beispiel!«
Der Arzt brach in wieherndes Gelächter aus. Sein von der eigenen Häme gebeutelter, ausgezehrter Körper war kein besonders angenehmer Anblick. Gleb ertappte sich bei dem Gedanken, dass ihm Samuil Natanowitsch in diesem Moment zutiefst zuwider war.
Du jämmerlicher alter Sack! Was bildest du dir ein, dich über das Unglück eines anderen lustig zu machen?!
Die hochkochende Aversion spiegelte sich offenbar im Gesicht des Jungen. Denn als der Heide Glebs vernichtenden Blick bemerkte, verstummte er. Doch es war schon zu spät. Eine grüne Pranke packte den Lästerer am Kragen, riss ihn brutal von der Bank, hob ihn hoch und drückte ihn gegen die Trennwand.
»Lass ihn, Dym!«
Taran, der wie aus dem Nichts aufgetaucht war, stellte sich dem Mutanten in den Weg. Doch Gennadi räumte den Stalker kurzerhand beiseite und hielt ihn mit dem freien Arm auf Abstand.
»Das hatten wir schon mal, Dym«, redete Taran auf Gennadi ein und versuchte gar nicht, gegen dessen Pranke anzugehen. »Das bringt weder dir noch anderen etwas.«
»Ich werde diesem Arschloch sein unverschämtes Maul stopfen!«
»Natanowitsch, warum sagst du nichts?! Entschuldige dich für die Entgleisung, dann ist Schluss mit dem Theater!«
Doch der Arzt dachte überhaupt nicht daran und keifte seinerseits zurück.
»Was mischst du dich da ein, Taran? Du meinst wohl, du bist was Besseres, hä? Kannst du vergessen, Kommandeur.« In den stechenden Augen des Heiden loderte Hass. Es bereitete ihm sichtlich Vergnügen, Galle zu spucken. »Vor wem spielst du dich so auf? Vor Gleb? Er ist zwar noch ein Grünschnabel, hat aber längst gemerkt, mit wem er sich eingelassen hat. Du scheißt doch auf alle anderen! Wenn nötig, würdest du jeden über die Klinge springen lassen, Hauptsache du rettest deine Haut! Du warst immer schon ein Einzelgänger. Ein Paria! Ein Irrer!«
Nach dieser heftigen Schimpftirade murmelte der Heide plötzlich nur noch unverständliches Zeug, als hätte ihm jemand den Stecker rausgezogen. Er ließ kraftlos den Kopf hängen und hörte auf, mit den Beinen in der Luft zu stochern. Der Mutant ließ ihn los, und der Arzt fiel wie ein Mehlsack zu Boden. Dort blieb er sitzen und glotzte abwesend ins Leere.
»Lass mich los!«, bellte Taran und bog den Arm von Gennadi beiseite.
Der Stalker hob den Becher auf und stellte ihn auf den Tisch zurück. Als er verstohlen zu seinem Stiefsohn schaute, erschrak er über dessen verächtlichen und zugleich ungläubigen Gesichtsausdruck.
Doch der Blick des Jungen galt nicht ihm, sondern Sitting Bull. Der Stummel hatte sich in die hinterste Ecke der Kajüte verdrückt, und in seinen Händen glänzte ein metallischer Gegenstand.
»Idiot, nimm die Kanone runter!«, blaffte Dym und schirmte mit seinem breiten Körper die Kinder ab.
»Bleib, wo du bist, Gorilla! Einen Schritt weiter, und ich garantiere für nichts!«
Die auf den Mutanten gerichtete Pistole zitterte bedrohlich, die Pupillen in den hervortretenden Augen des Stummels flackerten nervös, und sein dunkelhäutiges Gesicht war gespenstisch blass. Alles deutete auf einen neuerlichen Anfall hin.
»Na, Junge, machst
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