Hinter dem Horizont: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)
du dir schon wieder in die Hose?«, ätzte der Heide, der plötzlich wieder munter wurde. »Worauf wartest du? Blas diesem Knochenbrecher das Hirn weg. Und am besten auch gleich dir selbst! Dann gibt es zwei Trottel weniger auf der Welt. Und wir müssen nicht mehr Wasser sparen.«
Der Arzt hätte sicher noch weiter provoziert, doch nach einer saftigen Klatsche von Taran brachte er nur noch ein jämmerliches Grunzen zustande und ließ benommen den Kopf hängen. Nachdem er den Heiden zum Schweigen gebracht hatte, knöpfte sich der Stalker den Stummel vor. Er marschierte völlig ungedeckt auf Sitting Bull zu, riss ihm die Pistole aus der Hand und zerrte den Ärmsten in den Nachbarraum – aus den Augen der ohnehin entnervten Mannschaft.
Als scheppernd die Tür zufiel, fuhr Aurora erschrocken zusammen. Wie immer in solchen Situationen zog sie reflexartig die Beine an, guckte bestürzt aus der Wäsche und kreuzte die Arme vor der Brust, als wäre ihr kalt. Zum ersten Mal während der gesamten Fahrt hatte Gleb genug von dem ängstlichen Getue seiner Freundin.
»Das ist hier nun mal kein Zuckerschlecken! Daran solltest du dich langsam gewöhnen, du Prinzessin!«
Der Junge war selbst überrascht, als er sich sprechen hörte, und schon im nächsten Augenblick bereute er die giftige Bemerkung. Das hatte er nicht gewollt. Doch Auroras mimosenhafte Art war ihm schon länger auf die Nerven gegangen: ihr ängstliches Gestarre, das ständige Jammern und der latente Ekel, den ihre Mimik und flüchtige Gesten verrieten, so sehr sie sich auch bemühte, ihn vor den anderen zu verbergen.
Was rede ich da eigentlich, spukte es Gleb durch den Kopf. Jetzt ist sie sicher beleidigt.
Doch Aurora hatte eine Überraschung für ihren Freund parat. Die Leidensmiene verschwand augenblicklich aus ihrem Gesicht und machte souveräner Coolness Platz.
»Halt die Fresse, du Proll«, gab sie eiskalt zurück.
Am liebsten hätte Gleb auf diese Beleidigung mit physischer Gewalt geantwortet, doch er besann sich noch einmal und wandte sich zähneknirschend ab.
In diesem Moment kam Migalytsch aus dem Durchgang zur Fahrerkabine, eine riesige Rohrzange in der Hand. Das Drama war offenbar noch nicht zu Ende. Der vom Alter gebeugte Mechaniker zwinkerte mit dem nervösen Auge, blickte geschäftig in der Kajüte umher und nickte vielsagend mit dem Kopf.
»Ich bin Pilot und kein Lkw-Fahrer. Ich hab die Schnauze voll von dem sinnlosen Gegurke.«
Nach diesem trockenen Statement richtete das mitgebrachte Werkzeug ein Massaker im Geschirrschrank an. Das nächste Opfer war ein Manometer der Belüftungsanlage, dessen Glas in tausend Scherben zersprang.
Weitere Zerstörungen verhinderte Gennadi, der dem tobenden Alten den Weg versperrte und ihm den improvisierten Schlagstock aus den sehnigen Händen wand. Einen Augenblick lang stutzte der Mutant und musterte die Rohrzange, als hätte er Rostflecken darauf entdeckt.
»Wenn es dir sowieso reicht …«, sagte er daraufhin mit einem diabolischen Grinsen und holte zum Schlag aus.
Gleb sah schon Migalytschs Schädel splittern, Blut an die Wand spritzen und Gehirnmasse an den Händen des Mörders kleben … Er hatte das Bild so real vor Augen, dass er eigentlich hätte geschockt sein müssen, doch in diesem Augenblick ließ ihn das Schicksal des alten Mannes kalt.
Wenigstens wäre dann das ewige Gemeckere über den hohen Spritverbrauch und störende Geräusche im Motor vorbei, dachte er nur.
Im letzten Moment fiel Taran dem Giganten in den Arm, doch das war dem Jungen bereits völlig egal. Mit weichen Knien trottete er in den Schleusenraum und kletterte in den Aussichtskäfig auf dem Dach des Trucks. Dort machte er es sich bequem und schaute gedankenlos den Wolken nach, die über den Himmel zogen.
Die Schneise, die wie eine hässliche Narbe den Wald durchzog, wirkte von hier oben weniger trostlos als aus der Kabine. Vom Dach aus konnte man die Straße in beiden Richtungen überblicken, sowohl den schon zurückgelegten als auch den bevorstehenden Streckenabschnitt. Der Unterschied bestand lediglich in der Fahrspur, die der Raketentruck in den Schnee gefräst hatte. Ansonsten sah die Trasse in beiden Richtungen völlig identisch aus. Man hätte nur die Augen schließen und sich ein paarmal um die eigene Achse drehen müssen, um vollständig die Orientierung zu verlieren. Man hätte sich heillos verirrt und wäre irgendwo auf dieser endlosen, teuflischen Straße krepiert.
Neben der Trasse ragte ein windschiefes
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