Hinter dem Horizont: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)
aufmunternd. An seiner roten Nase und seinem benebelten Blick konnte man unschwer erkennen, dass er sich selbst ebenfalls »behandelt« hatte.
»Jetzt guck nicht so streng!«, lallte er. »Im Prinzip bin ich immer noch auf Entzug. Es ist nur wegen der besonderen Umstände …«
»Was für Umstände, zum Henker?!«, ereiferte sich Gleb. »Warum füllst du mich mit dieser widerlichen Plörre ab?«
»Immer schön ruhig bleiben, Junge. Die Plörre hat dir nämlich das Leben gerettet. Sie ist zwar eigentlich für äußerliche Anwendungen gedacht, aber so genau muss man’s nicht nehmen.«
Der Heide schüttelte sich vor Lachen. Als er sich wieder beruhigt hatte, stand er ächzend auf und bedeutete dem Patienten, ihm zu folgen.
»Komm mit, ich muss dir was zeigen.«
Auf dem Weg zur Schleusenkammer stellte Gleb bestürzt fest, dass sein Vater, Migalytsch, Sitting Bull und Aurora allesamt bewusstlos waren. Selbst Dym lag wie ein riesiger lebloser Sack neben der Küchennische.
»Was ist mit ihnen? Wir müssen ihnen helfen!«
»Das hat Zeit«, versicherte der Heide und blieb neben dem aufgebrochenen Schacht der Belüftungsanlage stehen. »Zuerst müssen wir ein dringenderes Problem lösen. Schau mal, was ich hier entdeckt habe!«
Am Boden unter dem Schacht lagen die Rahmen mit den Kohlefiltern verstreut. Die mehrschichtigen Filtersiebe waren mit einer flaumigen gelben Substanz zugesetzt, die wie Watte aussah. Ein ähnlicher Belag befand sich auch an den Innenwänden des Schachts und an den Halterungen der Filter.
»Das ist …«
»Ein Schimmelpilz«, kam der Arzt dem Jungen zuvor. »Seine Sporen sind überall. In der Belüftungsanlage, in der Luft, in unseren Lungen … Keine Ahnung, wie lange wir dieses Zeug schon einatmen, aber ich bin mir zu hundert Prozent sicher, dass wir seinetwegen alle durchgedreht sind. Ich nenne diese hochinteressante Substanz ›Psychowatte‹. Klingt gut, nicht?«
Gleb nickte zerstreut und betrachtete den unansehnlichen, flaumigen Teppich am Boden.
»Das Interessanteste ist, wie dieser Mutant auf alkoholhaltige Flüssigkeiten reagiert. Schau!«
Samuil Natanowitsch nahm einen Mundvoll aus dem Becher, den er mitgenommen hatte, und besprühte einen der Filter mit dem Alkoholpräparat. Nach wenigen Augenblicken verfärbte sich der gelbe Flaum dunkel und begann zusammenzuschmelzen. Nach zwei Minuten war von der Schimmelkolonie nur noch ein grauer Belag übrig, der wie Asche aussah.
»Wie bist du da draufgekommen?«, staunte Gleb, der den Auflösungsprozess der »Psychowatte« fasziniert beobachtet hatte.
»Na ja …«, druckste Samuil Natanowitsch herum. »Ich habe mir gedacht: Wenn schon sterben, dann wenigstens mit einem zünftigen Rausch … Und da habe ich meinen Notvorrat geschlachtet. Man kann das gute Tröpfchen doch nicht verkommen lassen, nicht wahr?«
Der Heide kippte sich den restlichen Alkohol hinter die Binde, grinste besoffen und rülpste zufrieden.
»Spinnst du?«, brauste der Junge auf. »Was soll aus den anderen werden?«
»Keine Sorge, ein Drittel des Kanisters ist noch da. Das reicht, um die ganze Truppe wieder auf die Beine zu stellen. Obwohl, wenn man bedenkt, dass einer der Patienten ein Fass ohne Boden ist …« Der Heide lachte grunzend über seinen eigenen Scherz und zwinkerte dem Jungen abermals zu. »Folgendes, Gleb: Du ziehst dir jetzt eine Atemmaske über, schnappst dir einen Lappen, den Alkohol und reinigst die Belüftungsanlage. Du darfst aber kein noch so winziges Fleckchen vergessen, sonst wächst das verdammte Zeug wieder nach. Ich kümmere mich in der Zwischenzeit um die anderen, bevor sie uns noch den Löffel abgeben.«
Der merklich angeheiterte Samuil Natanowitsch schaute bedauernd in den leeren Becher, torkelte in die Kajüte zurück und ließ Gleb mit der »Psychowatte« und einem benebelnden Schwindelgefühl in dem nach Alkohol stinkenden Schleusenraum zurück.
Diesmal zwinkerte das emaillierte Teufelchen lustig mit den Augen und lächelte milde, als es die in der Kajüte versammelte Mannschaft betrachtete. Gleb wandte den Blick von dem Becher ab, der – direkt neben dem leeren Kanister – einen Ehrenplatz in der Mitte des Tischs bekommen hatte, und ließ den Blick über die Anwesenden schweifen. Die nicht gerade vom Glück verfolgten Abenteurer sahen allesamt ziemlich zerzaust und mitgenommen aus.
Aurora war speiübel, nachdem ihr der fürsorgliche Heide eine ordentliche Dosis Alkohol eingeflößt hatte. Migalytsch klebte mit seinen
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