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Hinter dem Mond

Hinter dem Mond

Titel: Hinter dem Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wäis Kiani
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Jourdan. Pouri hat sich dort ein paar sehr schöne Sandalen gekauft, ich will auch mal schauen.«
    Pouri trug nur Charles-Jourdan-Schuhe, allerdings kaufte sie sie meistens in Berlin. Der große Charles-Jourdan-Laden war auf der Shemiran Avenue, nicht allzu weit von unserer Schule entfernt und eins der wenigen Geschäfte, die in Teheran wirklich chic waren.
    Der Besitzer ließ die Modelle aus Paris im Iran produzieren, deswegen sahen die Schuhe zwar genauso aus, waren aber unbequem, sagte zumindest meine Mutter.
    Ich hielt vor dem Geschäft, der Motor starb ab, dann musste ich leider aussteigen und meine Mutter einparken lassen.
    Im Laden gab es die schönsten Schuhe, die ich seit einem Jahr gesehen hatte: flache Sandalen mit dünnen, beigen Riemchen und einer merkwürdigen Sohle, die aussah wie Plexiglas. Ich ließ mir Größe 40 bringen, und sie sahen an meinen Füßen wunderschön aus.
    »Mama …«
    »Die kaufe ich nicht, pfui, sind die hässlich. Und sie werden weh tun.«
    Jedenfalls kaufte sie sie dann doch, aber nicht, ohne zu betonen, wie hässlich sie seien und dass ich an den Schmerzen, die sie mir bereiten würden, zugrunde gehen würde.
    Sie selbst kaufte ein paar schlichte Pumps, aber nicht, weil sie sie toll fand, sondern weil sie die für ein Kleid brauchte, wie sie dem Verkäufer sagte.
    Den restlichen Weg nach Hause durch den Hauptverkehr fuhr sie selbst.
    Ich erzählte ihr von dem irren Van-Fahrer.
    Meine Mutter wurde ernst.
    »Leilydjun … bebin …«, sagte sie, wie immer, wenn es ernst wurde. »Ihr müsst aufpassen und wirklich vorsichtig sein. Die Lage in diesem Land ist ernst, man darf sich hier keinen Spaß mehr erlauben. Diese Männer sind wild und unzivilisiert, die drehen durch, wenn sie zwei junge, knackige Mädchen auf einem Fahrrad sehen. Du weißt, ich will dir das nicht verbieten, aber bitte, lasst jetzt mal die Fahrradfahrerei, ich zahle dir doch immer das Taxi, das weißt du, aber was hättet ihr gemacht, wenn der euch beide in seinen Van gezerrt und verschleppt hätte?«
    »Wir sind sofort weggerannt, zu Sonja rein.«
    »Ja, weil ihr Glück hattet und neben Sonjas Haus wart! Was wäre, wenn so was das nächste Mal nicht vor einer Tür passiert, die schnell aufgeht, und im Van zwei Männer sind? Hier sind alle wild, und jetzt herrscht überhaupt kein Recht und keine Ordnung mehr, es gibt keine Polizei, man kann sich auf niemand verlassen, uns regieren doch Verbrecher.«
    Ich schwieg betreten. Sie hatte recht.
    »Die finden das toll, wenn sie zwei Mädchen aus verhassten Oberschichtsfamilien, die unzüchtig bekleidet sind und auf der Straße herumtanzen, verhaften können, um allen Angst einzujagen, sie etwas zu misshandeln und meinetwegen sogar wieder freizulassen. Aber du drehst durch, wenn du bei denen im Knast landest, und wir können nichts machen! Und wenn die wollen, vergewaltigen und hängen die euch. Oder steinigen! Es gibt kein Rechtssystem, das sind alles Mörder! Die können alles machen, und niemand kann etwas dagegen tun!«
    Ich versprach ihr, nicht mehr mit dem Rad herumzufahren. Mir war selbst auch nicht mehr wohl bei der Sache. Der Typ war einfach zu verrückt gewesen, und mit Verrückten war nicht zu spaßen.

    Meine Mutter war nach dem Elternsprechtag zu sauer gewesen, um mit mir Mittag zu essen, ich holte mir deshalb eine kalte Frikadelle aus dem Kühlschrank, presste eine Ladung Ketchup darauf und ging ohne Teller in mein Zimmer, legte die Bee Gees, »Too much Heaven« auf, legte mich kauend aufs Bett und nahm ein altes, tolles Buch, »Wie war das denn mit Adelaide Harris?« Ich kannte es schon – in dem Buch ging es um zwei Jungs, die Anfang des Jahrhunderts Kaspar Hauser in der Schule besprochen hatten und daraufhin auf die Idee kamen, die neue Babyschwester des einen versuchsweise im Wald auszusetzen, um zu sehen, ob sie von Wölfen großgezogen wird.
    Wir hatten in Deutsch vor Jahren mal eins unserer Lieblingsbücher vorstellen müssen. Ich hatte dieses Buch vorgestellt und meinen Lehrer mit meinem Vortrag verzückt, weil ich Wörter wie Komödie und amüsant benutzte, die er von uns nicht gewöhnt war. Ich hätte aber auch genauso gut hundert andere Bücher vorstellen können, ich hatte so viel gelesen und kannte fast alle auswendig.
    Jetzt hatte ich das Buch noch mal hervorgeholt, weil ich überlegte, ob wir nicht den kleinen Bruder von Sonja aussetzen sollten. Er war noch klein genug und bekam nur Milch im Fläschchen. Mein Vater hatte mir oft von Wölfen

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