Hinter dem Mond
Eltern Sex.
Oder die speziell für meine Mutter abgeänderte Version:
Wir waren bei Cyrus und haben »American Gigolo« im Wohnzimmer gesehen und danach Brote am Pool gegessen. Mama, ich will genau so einen Mercedes, wie ihn Julian fährt, bitte.
Und dann mit ihr darüber diskutieren, warum Papa sich damals doch für den Volvo statt für den Mercedes 450 SL entschieden hatte: In dem Sportcoupé hätte ich hinten nicht viel Platz gehabt.
Meine Mutter würde mir alles, was ich ihr sagte, irgendwann als Strick um den Hals legen, das war mir vollkommen klar, aber es war mir egal. Ich musste ihr mein Leben erzählen, so gut es ging, sonst würde ich platzen.
Oft saßen wir spätnachmittags, wenn es nicht mehr so heiß war, im Chattanooga rum, vor riesigen Eisbechern mit Sahne und Früchten. Danach fuhren wir im Sonnenuntergang auf den Motorrädern die neuen Shemiran Highways rauf und runter, hörten die ganze Zeit Herb Alperts »Rise« oder alle Platten von Pink Floyd und tranken 7 up aus kleinen grünen Flaschen, saßen an verschiedenen Poolrändern und schauten uns zum Entsetzen von uns Mädchen tatsächlich diesen einen richtigen Pornofilm an. Nach dem Nachmittag war ich wieder traumatisiert und schob das Thema Sex noch ein Stück weiter weg. Und ausnahmsweise erzählte ich meiner Mutter eben diesmal nichts.
Einmal machten wir sogar einen Ausflug nach Damavand, ein grünes, frisches Flussbett außerhalb von Teheran. Cyrus fuhr den roten R5 seiner Mutter, in den wir uns zu sechst reinquetschten. Parvaneh, Lucie, Alex, Kamran und ich. Michael und Davud bretterten mit ihren Motorrädern voraus, die Freundinnen hintendrauf. Ich kannte die Strecke und die Gegend um Damavand in- und auswendig, da die vielen Freitagsausflüge meines Vaters mit seinen Eltern meistens hierher führten, weil es hier selbst im Hochsommer durch die vielen Bäume und den breiten, eiskalten, reißenden Fluss schön kühl war. Wegen dieser qualvollen Freitage, die mit einem langweiligen Kebab-Essen in einem der lauschigen Restaurants am Fluss endeten, hasste ich Damavand und hatte gleich angefangen, dagegen anzunölen, als der Vorschlag kam. Aber Sonja und Michael meinten nur: »Lilly, halt die Klappe!«, und ich sagte nichts mehr.
An diesem Tag machte ich eine wichtige Erfahrung für mein restliches Leben. Anscheinend kam es nur darauf an, mit wem man etwas machte. Mit den falschen Leuten, mit denen man sich langweilt, kann der schönste Ort zum Plumpsklo werden. Kurz befiel mich der Gedanke, dass ich den Iran und Teheran vielleicht gar nicht so scheiße finden würde, wenn ich nicht mit meinen verrückten Eltern und der behinderten Familie da sein müsste. Aber ich kam mir, während ich es noch dachte, wie ein Verräter vor mir selbst vor und schob den Gedanken schnell beiseite. Iran und alles Iranische war einfach viel zu scheiße, um es je gut finden zu können, egal mit wem. Jetzt bloß nicht schwach werden und alles über den Haufen werfen.
Wir Mädchen krempelten unsere engen Jeans-Hosenbeine hoch und wateten durch das kniehohe kalte Wasser. Cyrus saß in einem verwachsenen Baum über uns, ließ seine langen dünnen Beine mit den großen Adidas-Sneakers baumeln und rief uns schweinische Bemerkungen zu, was sonst. Wir hatten alle keine Badesachen mitgenommen, denn wenn jemand eine gemischte Gruppe Jugendlicher fröhlich in Bikini und Badehose im Fluss badend gesehen und ans Komitee verpfiffen hätte, wären wir mit Sicherheit gesteinigt worden. Ich hatte meine Rollei dabei und machte Fotos, und als Sonja ausrutschte und der Länge nach ins Wasser fiel, musste ich an ihren Sturz im Schnee und den Skischuh denken und so lachen, dass ich das Gleichgewicht verlor und auch ins Wasser fiel. Aber ich fiel ins seichte Wasser, und meine Kamera blieb trocken, nur meine Jeans und mein halbes Shirt waren pitschnass. Jetzt ging natürlich sofort das Gegröle der Jungs los, wir sollten ihnen unsere Oberkörper in den nassen Shirts zeigen, damit sie vergleichen könnten, und die Hosen auch ausziehen. Wir saßen mit dem schweren, durch die Nässe dunklen Denim am Leib auf einer Kies-Insel in der Sonne und versuchten, das Wasser ein wenig auszudrücken, aber meine Jeans war zu eng, und mein weißes T-Shirt war jetzt natürlich völlig durchsichtig und man konnte meinen BH aus rosa Spitze ganz genau sehen. Außer uns waren weit und breit keine Leute, wir waren ganz allein. Ich rief in das Gehänsel der Jungs hinein: »Okay, ich ziehe meine Jeans aus.
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