Hinter dem Mond
genauso viel Gas gebe und die Handbremse löse. Jedenfalls checkte ich es null, diese vielen Dinge gleichzeitig mit zwei Füßen und einer Hand feinmotorisch zu bewältigen, und der Wagen holperte dauernd ein wenig, und dann starb der Motor ab.
»Du hast kein Gefühl!«, brüllte mein Vater mir zu. »Kein Gefühl und kein Talent!«
Er war wütend und genervt und hatte überhaupt keinen Bock, mir Autofahren beizubringen. Ich konnte es nicht glauben, wie ich etwas, was ich unbedingt wollte, einfach nicht hinbekam. Ich musste es schaffen, ich musste einfach. Es konnte nicht sein, dass Idioten wie Michael und Cyrus das konnten und ich nicht. Sogar meine Mutter konnte Auto fahren, und die konnte wirklich fast nichts, außer kochen und gut aussehen. Mir standen die Tränen der Verzweiflung schon in den Augen, da kam eine Polizeistreife auf uns zu, hielt an, und ein Polizist kam zu uns.
»Was machen Sie hier, verehrter Herr?« Er war sehr höflich.
Mein Vater lief blutrot an und stammelte devote Floskeln, es tue ihm so leid, aber das Kind, »batsche«, wollte unbedingt mal das Auto ausprobieren und solche Sachen.
Der Polizist sagte noch etwas höflich wie »nicht der Rede wert«, und dann setzte sich mein Vater hinters Steuer und gab Gas.
»Du hast kein Talent zum Autofahren«, schrie er mich an. »Kein Talent! Frag mich nie wieder, ob ich dir Autofahren beibringe.«
Du blödes Arschloch, dachte ich, mir die Wuttränen wegwischend, ich bin erst vierzehn und habe sicher mindestens genauso viel Talent wie du und deine blöde Frau. Du wirst schon sehen, ich werde bald besser Auto fahren als du, redete ich leise mit mir selbst.
Sehr viel später, in der Fahrschule, übten wir mit Handbremse anzufahren in der sechsten Fahrstunde. Es schockierte und beruhigte mich gleichzeitig. Ich war keine Vollidiotin. Drei Dinge gleichzeitig zu machen, wenn man noch nie ein Auto angelassen hat, kann wirklich niemand.
Wir hingen jeden Tag bei jemand anderem im Garten herum. Sonja war jetzt mit Davud zusammen, und so gab es das zweite Pärchen in der Gruppe. Gina hatte mittlerweile anscheinend auch mit Michael geschlafen, jedenfalls wurde nicht mehr darüber diskutiert, ob oder ob nicht.
Meine Mutter hatte tatsächlich eiskalt Parvanes Mutter von der Sache mit dem Cousin erzählt und war total enttäuscht von deren Reaktion. Deren Mutter hatte meine beruhigt, sie sollte sich keine Sorgen machen, die zwei wären nur gute Freunde, da wäre nichts Verbotenes.
»Was ist das für eine naive Kuh! Sie will es nicht wahrhaben, was ihre Tochter treibt.« Meine Mutter verachtete Eltern, die nur Gutes von ihren Kindern dachten. Sie tat grundsätzlich genau das Gegenteil und fuhr ziemlich gut damit, wie sie selbst fand. Ich hatte ja auch genug Dreck am Stecken, sodass ihr nie langweilig wurde.
»Mama, du spinnst! Du kannst doch nicht zu der Mutter gehen und petzen, was ich dir anvertraut habe!«
Das sah meine Mutter anders. Wir stritten uns entsetzlich, weil ich ihr Denunziantentum, Verrat, Vertrauensmissbrauch, Intrigantentum und generelles Scheißesein vorwarf, und sie meinte nur immer wieder, über eine so lebensgefährliche Handlung müsste die Mutter Bescheid wissen. Ich wusste, dass ihr Parvaneh mitsamt ihrer Ehre und Zukunft ziemlich egal war, und hätte gern den wahren Grund gewusst, weshalb sie zu der anderen Mutter gegangen war. Sie engagierte sich auch sonst nie für andere Kinder. Ich hatte den üblenVerdacht, dass sie es nicht getan hatte, um Parvaneh zu schützen, sondern um ihr ein paar Ohrfeigen und Schläge zuzuteilen, weil sie es nicht ertragen konnte, dass das kleine, nölige, verwöhnte Mädchen seine ganze Familie an der Nase herumführte und ungeschoren davonkam. Ich strich von da an vorsichtshalber aus meinen Geschichten alle Stellen, in denen Sex auftauchte, und erzählte ihr nur noch die zensierten Versionen, die dadurch natürlich oft langweilig und pointenlos wurden. Es war ein großer Unterschied in der Dramaturgie, die Wahrheit zu erzählen:
Mama, wir waren alle bei Cyrus zum Schwimmen und durchwühlten erst mal das Schlafzimmer der Eltern, weil Cyrus meinte, seine Eltern hätten Pornos versteckt, und Sonja öffnete eine Schublade im Nachttisch, und da lag ein Film! Wir haben uns alle vor den Videorekorder im Schlafzimmer gesetzt, aber es war supereklig, die haben nur gebumst, danach sind wir alle wieder runter an den Pool, aber Michael ist mit Gina oben im Schlafzimmer geblieben, und sie hatten im Ehebett der
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