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Hinter dem Mond

Hinter dem Mond

Titel: Hinter dem Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wäis Kiani
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erzählt, die außerhalb von Teheran in der braunen Steppe lebten. Ich kannte den »Steppenwolf« von Hermann Hesse und war deshalb fasziniert, dass ich welche vor der Haustür hatte.
    Ich fing ernsthaft an, darüber nachzudenken, wie ich Sonja für diese Idee begeistern könnte, da kam meine Mutter hereingestürmt und schrie in Richtung meiner Boxen:
    »Ich kann die Stimme dieser Frau nicht mehr ertragen! Die ganze Zeit dieses Gejaule … anstatt zu lernen!«
    Damit riss sie den Stecker aus der Wand, was sie immer machte, wenn sie die Musik unterbrechen wollte. Genauso schnell, wie sie reinkam, rannte sie wieder raus.
    Ich musste lachen.
    »Das sind aber drei Männer, Mama, keine Frau!«, rief ich ihr hämisch hinterher.
    Mein Zeugnis fiel genauso aus, wie von mir geplant, zwei Einsen in Deutsch und Kunst glichen die beiden Fünfen in Mathe und Physik aus, und ich wurde glatt versetzt. Die hatten sich alle wieder umsonst aufgeregt.

    Dann begannen die großen Ferien, die in meiner Erinnerung wie das Vorbeifliegen einer sehr heißen, staubigen Millionenstadt von einem hohen schwarzen Sitz einer Enduro-Maschine aus gesehen haften geblieben sind, nur durchbrochen von dem klaren Blau der vielen Swimmingpools, an denen wir in diesem Sommer 1980 in Teheran herumlagen.

8
    D ie nächsten Wochen sollten die beste Zeit in Teheran werden. Meine Eltern ließen mich aus Versehen völlig in Ruhe, und ich konnte machen, was ich wollte. Ich war versetzt worden, man konnte mir eigentlich nichts anhängen, aber die beiden waren ja Weltmeister im Erfinden von Gründen, die es gar nicht gab. Die Evergreens waren: meine Haare, zu lang und zu ungekämmt, meine Jeans, viel zu eng, meine Bikinis, zu klein, mein Mund, zu stark mit Lipgloss bemalt, und natürlich das gute alte »Zimmer zu unaufgeräumt«. Aber die waren beide zu abgelenkt mit den Hiobsbotschaften, von denen täglich einige verkündet wurden. Chomeini wollte jeden Tag einen anderen Scheiß.
    Mir war das alles egal. Es war Sommer, es war heiß, ich wollte nur das tun, was ich am liebsten tat: im Bikini am Pool räkeln und mir dabei durch meine verspiegelte Pilotenbrille vorstellen, ich wäre Jerry Hall, und Mick Jagger wäre in mich verliebt.
    Wenn ich auf dem Rücken an unserem Poolrand lag und durch die Sonne auf meinen dunkelbraunen glatten Bauch, meine braunen glatten Oberschenkel und dazwischen das kleine rot-weiße Dreieck meines Bikinihöschens blinzelte, sah eigentlich alles noch besser aus als die Pool-Bilder, die ich von Jerry in einer US- Vogue gesehen hatte. Jerry war zu lang und zu weiß für meinen Geschmack. Ich fand meine Größe mittlerweile perfekt, denn ich hatte es tatsächlich geschafft, die ersehnten zwei Zentimeter zu wachsen und war jetzt glamouröse 1,70 Meter. Ich konnte es gar nicht oft genug vor meiner kurzen Mutter und vor meiner Zwergen-Verwandtschaft erwähnen. Meine Mutter ließ sich deswegen auch gut nerven und rief dann immer: »Sie hat gemogelt! Sie ist keine eins siebzig!«
    Und: »Was nützt die Größe, wenn sie langsam fett wird?«
    Aber ich wusste, dass ich nicht fett wurde. Ich fand mich perfekt, so wie ich war. Immer noch klein und zierlich genug, um neben unseren Jungs nicht wie ein Baumstamm auszusehen und größer als alle anderen Mädchen außer Sonja. Und größer als viele blöde persische Männer, die sich gleich etwas weniger toll fühlten, wenn sie zu mir hochsehen mussten. Nur meine Brüste und meine Nase müssten dringend aufhören zu wachsen. Dicke Titten und große Nasen waren einfach unsexy, fand ich. Überhaupt nicht Vogue .
    Manchmal nahm ich eines unserer Autos und fuhr damit holpernd zu Sonja. Ich saß immer vollkommen verkrampft am Steuer, und mir starb oft der Motor ab, oder ich fuhr ewig im zweiten Gang, bis der Motor heulte, und vergaß, in den dritten Gang zu schalten, oder ich stand mitten auf der Kreuzung, und hinter mir hupten alle Autos wild durcheinander, und ich bekam den Motor einfach nicht mehr an, bis sich ein Typ hinter mein Steuer setzte, den Wagen anließ und zur Seite fuhr und ich dann mit Vollgas und quietschenden Reifen davonfuhr. Ich konnte einfach überhaupt nicht Auto fahren, mein Vater hatte mir versprochen, es mir beizubringen, aber wir waren nur einmal auf so einen asphaltierten Platz neben der Straße nach Karadj gefahren. Er hatte den Leerlauf eingelegt und die Handbremse angezogen und wollte, dass ich die Kupplung drücke, den Wagen anlasse, dann gleichzeitig die Kupplung kommen lasse,

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