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Hinter dem Mond

Hinter dem Mond

Titel: Hinter dem Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wäis Kiani
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es auf und stopfte es in meine Tasche, das Kopftuch hatte der Wind ein Stück weggeweht. Ich zerknüllte es und steckte es ein. Jetzt trug ich eine Karottenjeans von Edwin, ein weißes, verwaschenes Sweatshirt, meine wunderschöne Lederjacke und die zerschlissenen Adidas-Tennisschuhe aus weißem Leinen. Die ganze Welt konnte meinen Hintern in der Jeans und meine zerzausten Haare sehen. So wie bei einem ganz normalen Teenager in einer normalen Stadt in einem normalen Land.
    In dem Moment fuhr ein verbeulter oranger Peykan vorbei. Das Taxi war leer, nur der Fahrer saß am Steuer. Ich winkte es heran, stieg ein und ließ mich zu Sonja fahren.

    An diesem Abend überflogen irakische Kampfflugzeuge Teheran, und die Erwachsenen flippten total aus. Ein lautes Pfeifen bedeutete Bombenalarm, und mein Vater schrie, wir müssten sofort nach unten.
    »Ich komme nicht mit«, rief ich aus meinem Zimmer durch die offene Tür in die Diele hinein.
    Niemand antwortete. Irgendwann kam mein Vater ins Zimmer gerannt, riss mich am Arm hoch und hinter sich her. Ich machte mich los.
    »Lass mich los, ich geh nicht in den Kack-Keller und sitze da blöd rum mit den Arschlöchern! Ich sterbe hier oben, allein!« Ich legte mich wieder zurück auf mein Bett.
    Da hob mein Vater den Arm und schlug mir mit voller Wucht ins Gesicht. Die Innenseiten meiner Lippen brannten sofort wie Feuer, fühlten sich ganz zerfetzt an und ich schmeckte Blut.
    Ich wischte mir fassungslos mit dem Handrücken über den Mund, und ein langer roter Streifen zog sich auf meiner Hand entlang. Ich sah ihn erst hasserfüllt an, dann weg und setzte mich in Bewegung, holte mir ein paar Kleenex und ging nach unten. Im Treppenhaus betete ich, der Schlag möge mich treffen und ich würde hier an Ort und Stelle tot umfallen, damit mir der Keller mit den Großeltern erspart bliebe.
    Aber leider wurden meine Gebete nicht erhört. Es war natürlich superätzend da unten. Maman betete die ganze Zeit laut und tat so, als hätte ihre letzte Stunde geschlagen. Mein Großvater holte ständig sein zusammengefaltetes Taschentuch hervor und tupfte sich die Augen ab. Dabei schüttelte er den Kopf, als wäre es eine Unverschämtheit, dass er das in seinem Alter noch mitmachen müsste.
    Meine Mutter sagte nichts und presste nur eine Aktenmappe mit unseren Pässen und Dokumenten an sich.
    Mein Vater sah mich immer wieder angewidert an, als wäre ich an dem ganzen Krieg und Elend schuld, und ich blickte auf den graugesprenkelten Steinboden.
    Ich versuchte, an Brooke Shields zu denken und was sie wohl gerade machte und dann, dass dies nur eine Szene in einem Kriegsfilm sei, in dem ich die Hauptrolle spielte. Aber es nützte nichts. Ich konnte mich nicht wegbeamen, ich blieb in dem nach Schimmel stinkenden Keller sitzen.
    Als dann endlich die Bomber über Teheran flogen, bat ich Gott, sie mögen doch bitte unser Haus treffen, aber alle würden unverletzt bleiben, nur über mir sollte die Decke einstürzen und mich töten.

    Ab dem nächsten Tag stieg ich jeden Morgen auf dem Bushof mit brav zugeknöpftem Kittel und Pokerface aus meinem Bus, ging aus dem weit offenen Bustor hinaus in die Freiheit für ein paar Stunden.
    Dann zog ich an der nächsten Ecke meinen Kittel aus, um nicht für jeden als Schulmädchen erkennbar zu sein, winkte ein Taxi heran und fuhr zu Sonja.
    Dann hingen wir bei ihr ab. Meistens mit Lucie, die auch nicht zur Schule musste, weil ihre Mutter wusste, dass sie nach Deutschland gehen würden, egal, was der Vater sagte. Dass gerade Krieg war, alle Grenzen des Landes geschlossen und kein einziges Passagierflugzeug flog, war Lucies Mutter egal. Lucie und Sonja wurde der persische Scheiß nicht zugemutet, worum ich sie beide glühend beneidete.
    Wir lagen bei Sonja im Zimmer und besprachen den neuen Freund von Lucie, Alain. Alain war Halbfranzose, hatte honigblonde Locken und sah etwas aus wie Leif Garrett.
    Lucie beklagte sich, dass ihre Mutter ihr zwar den Freund erlaubte, aber nur unter der Voraussetzung, dass sie immer dabei war, wenn sie sich trafen.
    »Deine Mutter spinnt doch!«, sagte Sonja entrüstet.
    »Was soll ich machen! Sie sagt es sonst meinem Vater, und dann darf ich gar nichts mehr.«
    »Sie muss gerade reden! Sie hat doch selbst einen Lover und ist verheiratet!«
    Ich sagte gar nichts. Mir waren Alain und alle Mütter egal. Ich lag auf dem Bett und machte kleine Kügelchen aus Flüssigklebstoff. Ich hatte unten in der Küche eine Tube amerikanischen Klebstoff

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