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Hinter dem Mond

Hinter dem Mond

Titel: Hinter dem Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wäis Kiani
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zuckte mit den Schultern, da knallte sie schon die Tür zu.
    Es dauerte etwas, bis ich mich gesammelt hatte. Mich hatte noch nie ein Lehrer angefasst. Was war das denn? Und wenn ich nur gewusst hätte, was sie mich vorher gefragt hatte. Und was wollte sie? Ich sollte mich in der Direktion melden? Als was denn? Hingehen und sagen: Ich melde mich? Und dann blöde Fragen beantworten, bis der Pinguin kam und mich vor allen fertigmachen konnte?
    Das kam nicht in Frage. Ich ging nach unten und setzte mich hinter eine der alten Säulen derVilla, damit mich niemand sah, denn es gab keine Freistunden mehr und somit waren keine Schülerinnen während des Unterrichts auf dem Hof.
    Als es klingelte, wartete ich ungeduldig, bis Bita, Pari und Golli herunterkamen.
    »Warst du bei der Direktion?«, fragte mich Golli atemlos.
    »Nein, natürlich nicht! Ich bin doch nicht verrückt.«
    »Was für eine Antwort! Sie hat noch gezittert, als du schon lange draußen warst.« Bita war stolz auf mich.
    Pari sagte gar nichts, schaute nur leidend und zwirbelte ihre Haarsträhne. Das tat sie immer, und es sah total behindert aus.
    »Was hatte die mich denn gefragt? Warum ist die so ausgeflippt?«
    Golli lachte. »Sie hat ihren Quatsch erzählt und hat dich plötzlich gesehen, wie du auf dem Stuhl schaukelst und völlig abwesend aus dem Fenster schaust. Und dann hast du noch eine Riesenblase mit deinem Kaugummi gemacht, und sie ist aus-ge-flippt …«
    »Aber was hat sie mich gefragt?«
    »Sie hat einfach mitten im Satz gesagt: Den Rest wird uns Leily erklären. Und du hast einfach weiter aus dem Fenster geglotzt.« Golli bog sich vor Lachen.
    »Die blöde Sau. Golli, bitte, geh hoch und hol meine Tasche.«
    Bita wiederholte ungefähr zwanzigmal meinen Spruch und wie ihr und allen anderen wahrscheinlich das Blut in den Adern gefroren war, weil wirklich niemand mit so einer superfrechen Antwort gerechnet hätte.
    Und sie lachte weiter, weil die ganze Klasse auch deshalb schockiert war, weil man mich noch nie im Unterricht so viele Worte am Stück hatte sagen hören.
    Golli war wieder da, mit meiner Tasche und meiner Lederjacke. Ich hatte das Kopftuch dabei, holte es aus der Tasche und band es mir vorschriftsgemäß um.
    »Was machst du?«
    »Ich will raus. Wenn ich so aussehe, geht das leichter.«
    »Wo gehst du hin? Du musst zur Direktion, sonst fliegst du.«
    Ich sah sie mitleidig an. »Ich fliege? Oh, das wäre aber schrecklich!«
    »Lilly, du kannst nicht einfach gehen!« Bita war jetzt auch bestürzt. »Du fliegst sonst raus und musst auf eine richtige persische Schule, wo es noch viel schlimmer ist.«
    »Ich muss gar nichts!« Ich schob meine berühmte Unterlippe vor und ging ein Stück in Richtung des oberen Schultors.
    Aber so richtig wohl war mir nicht. Jetzt einfach zu gehen, würde mit Sicherheit den Rauswurf bedeuten. Die Pinguine hatten andere pädagogische Richtlinien als ein deutsches Gymnasium. Aber ins Lehrerzimmer zu gehen und mich »zu melden« kam überhaupt nicht in Frage.
    Die drei sahen mich an, wie Häftlinge denjenigen ansehen, der sich traut, zu flüchten.
    »Tschüss … ich ruf euch später an! Und ihr wisst nichts über mich, falls man mich sucht.«
    Wir hatten keine Schultorwarte mehr, denn das wären ja Männer gewesen, und die waren in einer Mädchenschule verboten. Eine in schwarzem Kittel und weißem Kopftuch stand in der Nähe des Tors. Ich lief mit gesenktem Kopf zur Tür und drückte die Klinke runter. Zu meinem Erstaunen war die Tür offen. Ich ging raus und zog das schwere Tor leise hinter mir zu.
    Ich war draußen! Die Aufpass-Frau hatte mich überhaupt nicht beachtet. Tolle Schule!
    Draußen rannte ich sofort los bis zur nächsten Straßenecke, an der ich sicher sein konnte, dass man mich aus keinem der oberen Fenster der Schule mehr sehen konnte. Ich zog den Kittel aus, warf ihn einfach auf die Straße und das beschissene Kopftuch auch und zog dann meine Jacke wieder an. Ich war schon fast bis zur nächsten befahrenen Straße gelaufen und wollte ein Taxi anhalten, da fiel mir ein, dass es total dumm war, den Kittel wegzuwerfen. Denn ich hatte mir überlegt, zu Hause nichts von allem zu erzählen und am nächsten Morgen ganz normal das Haus zu verlassen. Aber dazu brauchte ich den Kittel als Tarnung.
    Supergenervt rannte ich zurück zu der Stelle, wo meine Sachen noch im Dreck lagen.
    Unter den erstaunten Blicken zweier Frauen mit kleinen Kindern auf dem Arm rannte ich zu dem blauen Ding im Schmutz, hob

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