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Hinter dem Mond

Hinter dem Mond

Titel: Hinter dem Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wäis Kiani
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er auch in Teheran geblieben war, aber ich hatte mir keine weiteren Gedanken darüber gemacht. Aber jetzt, wo ich ihn neben Arash sah, dachte ich darüber nach, was er hier noch tat. Er hatte eine deutsche Mutter, sein Vater war richtig reich, und allein daran, wie er angezogen war, konnte man erkennen, dass er sehr oft in Deutschland war. Und er hatte genau so eine kleine grüne Suzuki 50, wie ich sie gerne gehabt hätte. Ich beobachtete ihn, wie er da stand, in einer verwaschenen Levi’s-Jeans, weiß-blauen Adidas und einem grauen V-Pullover, und wunderte mich plötzlich, warum ich mich nie für ihn interessiert hatte. Er war wunderschön, definitiv der schönste Junge von unserer ehemaligen Schule! Und von der neuen Außerirdischen-Schule sowieso, aber die neue Situation zählte für mich nicht als Schule.
    Nachmittags rief ich Arash an und fragte ihn über Ramin aus.
    »Nein, hat keine Freundin«, gab Arash überrascht zur Antwort. »Aber der auch hat nichts mit Mädchen, kein Interesse!«
    »Wie, nichts mit Mädchen?« Es hörte sich an, als fände Ramin, Mädchen würden stinken, und er ging ihnen deshalb aus dem Weg.
    »Nein, ihn interessieren keine Mädchen, nicht sein Ding. Wieso fragst du? Bist du interessiert?«
    »Ich doch nicht. Eine Freundin hatte mich gefragt … na ja, danke, gehen wir Freitag wieder Skilaufen? Geht Ramin nicht auch? Skilaufen?«
    Skilaufen war eine brillante Idee. Ich war sehr stolz auf mich.
    »Glaub nicht, ich kann ihn ja fragen«, sagte Arash desinteressiert. Und dann: »Welche Freundin denn?«
    »Ach, eine Katy aus der Klasse. Kennst du nicht! Ich muss auflegen!«
    Am nächsten Tag saß ich in meinem Bus und beobachtete Arash, der mit Ramin und ein paar anderen Jungs zusammenstand. Einfach hingehen war vollkommen unmöglich. Ich kannte die anderen nicht, das Verhältnis zu den Jungs hatte sich durch die Anwesenheit der Außerirdischen verkrampft, vielleicht waren aber auch nur die vielen fremden persischen Schüler schuld, die einen anderen, uncoolen Groove mitgebracht hatten.
    Nach der Schule rief ich Golli an, die im selben Bus mit ihm fuhr und vor der Aufhebung der Koedukation im letzten Jahr mit ihm in einer Klasse gewesen war. Sie hatte also alle hochinteressanten Informationen. Ich hatte ihr schon erzählt, dass ich mit Ramin gehen wollte und ich überhaupt nicht wusste, wie ich es anstellen sollte.
    »Hat er heute im Bus irgendetwas gesagt? Oder getan?«
    Golli liebte es, in einer so wichtigen Angelegenheit meine Beraterin zu sein.
    »Nein, er hat am Fenster gesessen und hinausgestarrt, wie immer. Fahr doch einfach bei uns im Bus mit. Komm einfach nach der Schule mit zu mir. In den nächsten Tagen, irgendwann.«
    »Ja, und dann? Ich kann mich nicht zu ihm setzen und sagen: Willst du mit mir gehen?«
    Wir lachten beide. Aber Golli war voller Zuversicht.
    »Aber dann sieht er dich schon mal!«
    Ich dachte nach. Die Bus-Idee gefiel mir nicht. Einerseits sah ich nach der Schule immer schmierig aus, und das Ambiente im Bus war unsexy. Andererseits war er so schüchtern, dass er mich mit Sicherheit nicht weiter beachten würde. Er war das Gegenteil von meinen ehemaligen Freunden, die jetzt in Deutschland zur Schule gingen, als wäre nichts. Und als dritten Punkt gab es das Problem, dass er der schönste Junge der Schule war, ich mich aber irgendwie überhaupt nicht als das schönste Mädchen sah. Ich musste anders vorgehen, bloß wie?
    »Wir brauchen eine Party!«, sagte ich zu der armen Golli mit dem Gürtel-Vater.
    »Vergiss es, der kommt auf keine Party. Der war noch nie auf einer Party, auf der ich war.«
    »Auch nicht letztes Jahr?«
    »Nein, aber ich hab unsere alte Klassenliste. Da steht seine Telefonnummer drauf.«
    »Super!«, rief ich, »gib sie mir!«
    »Willst du ihn etwa anrufen?«
    »Nein, nein«, log ich.
    Ich wusste plötzlich, wie ich Ramin für mich gewinnen konnte, ohne mein Gesicht international zu verlieren, weil er es vielleicht unverschämt finden könnte, von einer, die nicht das schönste Mädchen der Schule war, angemacht zu werden.
    Ich würde ihn anrufen und ihm nicht sagen, wer ich war. Er kannte ja meine Stimme nicht.
    Dann würde ich schon mal mit ihm sprechen können. Was ich genau sagen wollte, wusste ich nicht. Ich wusste nur, dass ich Susi heißen würde. Ein unverfänglicher Name. So hieß fast jede in Deutschland.
    Wenn ich versuche, mich daran zu erinnern, was mich damals getrieben hat, war es in erster Linie mein Urbedürfnis, alles zu

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