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Hinter dem Mond

Hinter dem Mond

Titel: Hinter dem Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wäis Kiani
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Wohnungen, die halb so groß wie unsere Empfangshalle waren, im Süden der Stadt, wo man natürlich immer die Schuhe auszog, um den einzigen billigen Teppich zu schonen, auch weil man auf dem Boden schlief und die Esstafel deckte, wo alle aßen, und überhaupt alles auf dem Boden machte, in dem einzigen Wohnraum. Jetzt bekamen sie mehr als ihr Monatsgehalt gezahlt, nur damit sie ein paar schlecht erzogene Deppen unterrichteten. In einer gigantischen Wohnung, die eingerichtet war wie ein Schloss, voller Spiegel und Glas, Vitrinen gefüllt mit Antiquitäten, Silber und Kristall und Teppichen, die so kostbar waren, dass sie an der Wand hingen. Und sie wurden dabei auch noch zum ersten Mal in ihrem Leben von einem Hausmädchen bedient.
    Ich rechnete nicht damit, auch nur eine einzige Prüfung zu bestehen.
    Wenn alle verschwunden waren, zog ich mich sofort in mein Zimmer zurück, setzte meine Kopfhörer auf und drehte sehr laut Musik auf, um wieder ich selbst zu werden. Dass Pinguine an unserem Tisch mitaßen und von meinen Eltern bezahlt wurden, war schon abartig genug, aber diese ernsthafte Verbreitung von Angst und schlechter Stimmung wegen der sinnlosen Prüfungen brachte mich völlig aus dem Konzept. Es war mir zutiefst egal, ob ich Prüfungen bestand, versetzt wurde oder überhaupt zur Schule ging, aber ich wurde in diesen Angstsog einfach gegen meinen Willen hineingerissen und durfte nicht mehr unbeschwert sein. Gita, Golli und Pari hatten ernsthaft die Hosen voll und redeten von nichts anderem mehr. Dabei waren diese Prüfungen vollkommen wertlos und brachten mich nicht weiter. Mich brachte im Moment nur Ramin weiter, der schönste Junge der Schule, mit jedem Wort, das er zu mir sagte. Ich wusste nicht, in was ich mehr verliebt war, in ihn oder in unsere Gespräche. Mittlerweile hatte ich das Gefühl, ihn so gut zu kennen, als wäre ich schon seit hundert Jahren mit ihm zusammen. Dabei hatten wir noch kein einziges Wort in echt miteinander gewechselt. Ich wusste alles von ihm und er alles von mir. Er hatte immer Zeit für Susi und war auch fast immer zu Hause. Es passierte nicht oft, dass ich anrief und einer der Brüder mir sagte, er sei nicht da. Ich war sehr froh, dass er so viel zu Hause war.
    Kurz vor Beginn der Nowruz-Ferien Anfang März ließ ich die Bombe platzen, es passierte einfach so, ich hatte es nicht geplant. Wir lästerten über ein paar Leute von der DST, und plötzlich fiel mir auf, dass ich viel zu viele Details über alle wusste und er merken musste, aus welcher Klasse ich kam.
    Er erzählte gerade von seiner Schwester, die schon siebzehn war und die Schule im Jahr zuvor abgebrochen hatte, um in Braunschweig VWL zu studieren.
    »Ohne Abitur geht das doch gar nicht«, sagte ich.
    »Doch, die ist auf einer Schule, da geht das«, sagte er.
    »VWL-Schule? Ist das nicht langweilig? Ich wollte ja eigentlich Germanistik studieren. Aber jetzt werde ich wohl gar nichts machen und ohne Beruf bleiben und irgendein Arsch heiraten!«, lachte ich.
    Die Außerirdischen hatten die Universitäten für Frauen verboten, Frauen waren es in ihren Augen nicht wert, zu studieren und einen Beruf zu ergreifen. Ich fand das schon fast lustig, wie irre die waren, aber meine Eltern waren richtig außer sich deswegen, und meine Mutter schrie dauernd am Telefon:»Was mache ich bloß mit meiner Tochter? Soll ich sie einem stinkenden Achund geben?«
    Ein Achund war ein Geistlicher. Mich schrie sie auch an: »Was soll aus dir werden, wenn du nicht studieren kannst? Willst du einen Stinker heiraten?«
    Als hätte ich die Unis selbst geschlossen.
    Mir waren die Unis mehr als egal, ich fand es komisch, dass meine Mutter tatsächlich dachte, ich wäre intelligent genug gewesen, um eine iranische Universität zu besuchen. Ich würde die Endjahresprüfungen alle total verkacken, ich hatte in keinem einzigen Fach auch nur den Hauch einer Ahnung, trotz der ganzen Nachhilfestunden.
    Wenn ich an die Aufnahmeprüfung für eine Universität nur dachte, musste ich lachen. Ich war geistig komplett unterbelichtet, und meine Eltern glaubten ernsthaft, ich würde Medizin studieren oder so was. Ich würde hier noch nicht einmal das Abitur schaffen, es war vollkommen utopisch, und meine Eltern waren einfach vollkommen verrückt, dass sie daran glaubten. Von mir aus konnten sie auch gleich die Schulen schließen, es hätte an meiner Situation und meinem Bildungsniveau nichts geändert.
    Er lachte auch. Und sagte dann mit weicher Stimme:»Nein, du

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