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Hinter dem Mond

Hinter dem Mond

Titel: Hinter dem Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wäis Kiani
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hatte. Und welcher Schafhirt würde mir als Mädchen schon zur Flucht verhelfen? Sie würden mich zu Hause bei meinem Vater abliefern, statt in Ankara.
    In der Pause redeten alle von einer Party, die am Donnerstag bei einem Masoud, mit dem Bitas Freund befreundet war, stattfinden sollte.
    Golli erzählte, wie sie gestern versucht hatte, ihren Vater um Erlaubnis zu bitten. Als sie ihn fragte, sprang er auf und zog den Gürtel aus der Hose.
    Die anderen versuchten Golli zu trösten und einen Ausweg zu finden, damit sie auch auf die Party kommen konnte. Ich war schockiert und beruhigt zugleich, dass Gollis Eltern mindestens genauso krank waren wie meine. Wegen so einer Frage wurde ich nicht geschlagen. Ich bekam dafür nonstop verbale Schläge von meiner Mutter, mein Vater interessierte sich eigentlich gar nicht mehr für mich, außer wenn meine Mutter sich beschwerte, dann flippte er sofort aus, als hätte er nur auf einen Grund gewartet.
    Mir war die Party egal. Eine Party in der Wohnung der Eltern eines persischen Jungen, der Masoud hieß, interessierte mich nicht. Soweit kam es noch, dass ich jetzt auf persische Partys ging. Ich hatte überhaupt keinen Bock drauf, obwohl bis Donnerstag in der Schule über nichts anderes mehr gesprochen wurde.
    Meine Mutter war etwas enttäuscht über den glimpflichen Ausgang meiner Schwänzerei:»Ach, was für eine blöde Schule. Sie hätten dir wenigstens eine Strafarbeit aufhalsen können!«
    »Mama, du spinnst echt. Ruf sie doch noch mal an und frag, ob du nicht einen Folterkeller für die Schule spendieren darfst.«
    Dann erzählte ich ihr von der Party, auf die alle gehen würden und dass ich da nicht hingehen würde.
    »Warum nicht? Was stimmt da nicht? Oder bist du nicht eingeladen?«
    »Alle Mädchen sind eingeladen, und Amir hat Bita extra aufgetragen, sie soll uns alle mitbringen. Aber ich geh da nicht hin. Keine Lust.«
    Dann ging ich in mein Zimmer und legte die rote Beatles-Platte auf, die ich zusammen mit einer anderen Doppel-LP in London gekauft hatte. Ich war in Soho in der Carnaby Street in einem Shop mit den allergeilsten Klamotten gewesen und hatte dort dieses Lied gehört, »Michelle«, und wusste, dass ich die Platte dazu haben musste. Ich ging zu einer der wunderschönen Verkäuferinnen, die auf einen Plattenspieler deutete. Darauf drehte sich eine knallrote Platte mit einem grünen Apfel in der Mitte. Die Beatles. Im Plattenladen sagte der Verkäufer dann, die blaue Doppel-LP bräuchte ich auch. Meine Mutter hatte natürlich gemeckert, dass ich die schweren Platten mitschleppen würde, anstatt einen Teil ihrer unwichtigen Sachen, aber was wusste sie schon. Es waren meine vier wichtigsten Platten. Ich sah dem grünen Apfel zu, wie er sich drehte und sang:

    Michelle, ma belle
    These are words that go together well
    My Michelle

    Michelle, ma belle
    Sont des mots qui vont très bien ensemble
    très bien ensemble

    I love you, I love you, I love you
    that’s all I want to say
    Until I find a way
    I will say the only words I know that you’ll understand

    Ich überlegte, was der französische Reim wohl hieß, da rief Sonja an. Sie war aufgeregt, weil ihr Vater jetzt doch beschlossen hatte, Dee und die Kinder auch mit einem der Busse in die Türkei zu schicken.
    »Wenn du gehst, dann sterbe ich, Mann, ich bin dann ganz allein.« Ich drehte die Lautstärke niedrig. Die Beatles mussten nicht zu solchen News singen.
    »Ich schreib dir sofort, wenn wir in Ankara sind!«
    »Aber ich kann dir ja nicht antworten.«
    »Ja, das wird bestimmt bald wieder gehen.«
    Man bekam Post aus dem Ausland, aber es ging keine Post raus.
    Pouri und die Kinder hatten sich auch schon von uns verabschiedet. Sie würden mit meiner Tante Gita in den nächsten Tagen fahren, damit die Kinder in Köln weiter zur Schule gehen konnten. Klaus würde hierbleiben und sich um alles kümmern. Er war ja als Deutscher bei einer deutschen Firma angestellt, und sollte der Krieg eskalieren, würde ihn die Bundesrepublik sofort in einer Militärmaschine rausholen.
    Mit Lucie hatte ich seit dem Drama nicht mehr gesprochen. Was ihre Mutter mir da angetan hatte, stand in keinem Verhältnis zu dem läppischen Den-Hörer-mal-kurz-nicht-Auflegen von mir. Sie hatte auch bei Sonja am Tor geklingelt, als wir im Park waren, und bei Dee gegen uns gehetzt, aber Dee war das egal. Sie hatte sich alles angehört und den blondierten Giftzwerg weggeschickt.

    Am Samstag nach dem Party-Donnerstag war morgens eine

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