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Hinter dem Mond

Hinter dem Mond

Titel: Hinter dem Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wäis Kiani
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alles Quatsch.
    Als Susi hatte ich nie lachen müssen, das war ja auch eine ernste Sache.
    Einige Tage später fragte er mich, ob ich nicht zu ihm nach Hause kommen wollte und ihn besuchen. Wie aufregend! Natürlich wollte ich das.
    »Mama, ich fahr morgen Nachmittag zu meinem neuen Freund. Ramin.«
    Sie saß in unserem Fitnessraum auf ihrem Hometrainer und strampelte wie eine Verrückte.
    »Was?«
    »Ja, ich habe einen neuen Freund. Ramin.« Dann nannte ich seinen Nachnamen.
    Meine Mutter hörte auf zu strampeln. Sie hatte eine peinliche blaue Leggings an.
    »Das ist der Sohn von …?« Sie schnappte nach Luft.
    »Ja, Mama, das ist sein Vater.« Mir war sein Vater egal, ich wusste nicht, warum sich meine Mutter für ihn interessierte.
    »Den kenne ich! Er war sehr oft bei Hoechst und hat meinen Bossen Rohstoffe verkauft.« Sie war plötzlich aufgeregt, die Arme war ganz außer sich. »Er ist superreich! Er ist ein wichtiger Rohstoff-Importeur, sehr, sehr wichtig, er beliefert alle Pharmakonzerne im Iran!«
    »Ja, kann sein, ich fahr morgen Nachmittag jedenfalls zu denen nach Hause.«
    »Er ist groß und sehr gut aussehend! Ist sein Sohn auch so?«
    »Natürlich, Mama, er ist der schönste Junge der Schule.«
    »Und was will er dann von dir?« Sie lachte gehässig.
    »Ja, stell dir vor …« Ich streckte ihr die Zunge raus.
    »Was habt ihr morgen vor?«
    »Keine Ahnung, bei ihm sein … nur so.«
    »Sind seine Eltern auch da?«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Was interessieren mich seine Eltern?«
    »Hast du ihm nicht auch erzählt, was dein Vater macht? Das erzählt man sich doch.«
    »Nein, Mama, das erzählt man sich nicht. Ist doch so scheißegal, was mein Vater macht, du spinnst.« Ich zeigte ihr einen Vogel und drehte mich um.
    Als ich rausging, rief sie mir hinterher: »Schnapp dir den, der ist eine gute Partie, und sag seinem Vater aber, dass du meine Tochter bist. Er kennt mich ganz genau!«
    Ich drehte mich um und tippte mir noch mal an die Stirn.
    Am nächsten Nachmittag saß ich hinten im Volvo, unser Fahrer fuhr mich zu Ramins Haus – meine Mutter hatte darauf bestanden. Ich fand es unsexy, in einer Limousine zu meinem Freund gefahren zu werden, und bereute sowieso, ihr überhaupt etwas gesagt zu haben. Ich hätte einfach verschwinden sollen.

    Ramins Haus war in einer der schönsten Straßen der Stadt im Sahebgharanie-Viertel, ganz nah am ehemaligen Schah-Palast, der jetzt leer stand. Die Straße war breit, ruhig und rechts und links von grünen Bäumen und langen hellen Mauern gesäumt.
    Es ist ganz schön heiß für Anfang Mai, dachte ich noch, bevor ich vor unserem Tor hinten in den Volvo stieg. Aber als ich jetzt unter dem Schatten der Blätter vor der langen, hohen, Mauer, die wohl Ramins Garten umsäumte, stand, merkte ich den Temperaturunterschied. Hier war es frühlingshaft frisch und die Luft sauber. Atmen machte plötzlich Spaß. Bei uns in der Stadt war es immer staubig und laut. Eine auf die Dauer anstrengende Mischung.
    Ramins Eltern waren zum Glück nicht zu Hause, er führte mich an einem Garten und einem großen Pool vorbei sofort ins Haus und in sein Zimmer. Er schloss die Tür hinter uns.
    Es war ein typisches Jungszimmer, braune Schrankwand, brauner Schreibtisch und ein normales Bett, schmaler als meins und ohne Himmel natürlich.
    Ich legte mich auf sein Bett mit dem Rücken zur Wand, er saß an seinem Schreibtisch und sah mich an wie ein treuer, großer brauner Hund.
    Ich war schweigsam. Die Situation überwältigte mich. Ich war hiermit offiziell an meinem Ziel angelangt, ich wollte nichts mehr. Ich saß im Zimmer des hübschesten Jungen der Schule, in den ich verliebt war. Und ich saß hier, weil ich seine Freundin war. Seine erste. Das erste Mädchen, das es geschafft hatte, sein Interesse auf sich zu ziehen. Ich hatte keine Wünsche mehr offen. Doch, er müsste mich noch küssen. Aber nicht jetzt sofort.
    Ich saß auf seiner blauen Jungs-Bettwäsche und sah ihn nur an und freute mich.
    »Warum siehst du mich so an?«, fragte er mich, aber so, als würde er eine Antwort erwarten wie: »Weil dein rechtes Ohr brennt …«
    Ich grinste. »Lustig, dass ich jetzt hier sitze. Findest du nicht?«
    Draußen ging plötzlich ein entsetzliches Geschrei los. Er stand auf, öffnete die Tür und rief ziemlich autoritär hinaus: »Hey! Was ist los?«
    Schreiende Jungsstimmen, dann kam sein kleiner Bruder ins Zimmer gerannt, ein hübscher Zehnjähriger mit großen, weißen Schneidezähnen und

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