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Hinter dem Mond

Hinter dem Mond

Titel: Hinter dem Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wäis Kiani
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denselben braunen Haaren und Augen. Ramin in klein. Niedlich.
    Babak schrie irgendetwas, was der andere Bruder, Bijan, ihm gerade weggenommen hat, man hörte eine Stimmbruchstimme draußen auf Persisch schreien, dann boxte Babak zweimal gegen Ramins Brust, und sie balgten miteinander, bevor Babak wieder rausrannte. Ich war begeistert. So waren also Brüder. Ramin schloss die Tür.
    »Der ist ja süß. Du hast echt zwei kleine Brüder. Hätte ich auch gern.«
    »Wieso hast du eigentlich keine Geschwister?«
    »Weil meine Eltern Kinder hassen. Mich hassen sie auch.«
    Er lachte. »So ein Quatsch!«
    Ich nickte ernst. »Doch, das stimmt wirklich. Sie wollten mich gar nicht und bereuen es jeden Tag, mich bekommen zu haben.«
    Er lachte noch mehr. »Wie kann man dich hassen. Du bist süß, aber auch lustig, du sagst immer so lustige Sachen. Und es ist so lustig, dass du Lilly bist. Und dass du jetzt hier sitzt.«
    Er schaute mich verliebt an.
    »Sag ich doch!«
    Dann mussten wir beide entsetzlich lachen.

    Einige Tage später rief er an und fragte, ob ich Lust hätte, mit ihm zu Arash zu fahren. Er würde mich gleich von zu Hause abholen und mir einen Helm mitbringen.
    Mein Herz klopfte bis zum Hals. Meine Mutter durfte das nicht mitbekommen, sie stichelte die ganze Zeit herum, seit ich von meinem Besuch in Ramins Haus zurück war, der könnte niemals in mich verliebt sein, der reiche und schöne Junge. Ich wusste genau, dass sie sofort einen sadistischen Anfall bekäme, wenn ich ihr sagte, wer mich gleich abholte, noch dazu mit dem Motorrad. Sexier ging es kaum.
    Sie würde es mir sofort verbieten, aus irgendeinem Grund, nur um es mir zu versauen, wegen der Prüfungen, wegen der Gefahr, wegen was auch immer.
    Ich ging in mein Badezimmer und überprüfte mein Gesicht. Ein roter Pickel auf der Stirn, der schon seit drei Tagen entsetzlich wehtat. Ich hatte gestern Nachmittag bereits an ihm herumgedrückt, was eine großflächige Beule nach sich gezogen und mein Aussehen total ruiniert hatte. Ramin hatte keinen einzigen Pickel. Ich nahm das von meiner Mutter geklaute Clinique-Make-up und schmierte mir reichlich davon in mein Gesicht.
    Als ich fertig geschminkt war, rief ich meiner Mutter, die in der Küche unser Dienstmädchen beim Schälen und Braten der Auberginen bewachte, aus der Entfernung in der Halle zu, ich würde rausgehen, um mir ein paar Hefte und Stifte zu kaufen.
    »Bringst du mir einen Kanister Butterschmalz mit? Er ist gleich alle …«, rief sie aus dem Auberginendunst. Die verdammten Auberginen sogen das Schmalz immer auf wie Schwämme.
    »Ja, ja«, murmelte ich und verschwand.
    Unten traf mich der Schlag. Maman war damit beschäftigt, den Garten zu wässern. Ich schlich die Auffahrt an den Weinreben hinunter, damit sie mich nicht sah, öffnete das schwere Tor ganz langsam und leise und trat auf die Straße. Meine Großmutter hatte das zweite Tor auch weit geöffnet, weil sie ja immer den Bürgersteig vor unserem Grundstück abspritzte. Direkt vor mir saß Ramin auf dem hohen Sitz seiner knallgelben Yamaha, in seiner braunen Lederjacke und einem weißen Helm, ein zweiter Helm baumelte an seiner Hand.
    Ich sagte nichts, sondern riss ihm den Helm aus der Hand, stülpte ihn mir schnell über, sprang auf den Sitz hinter ihm und boxte ihn in die Rippen:
    »Boro, boro!« Los, fahr!
    Mir flog fast der offene Helm vom Kopf, als er Gas gab, und ich drehte den Kopf weg, als wir an der arglosen Maman mit dem Wasserschlauch vorbeifuhren.
    Sie checkte zum Glück gar nicht, dass gerade ihre fünfzehnjährige Enkelin auf dem Motorrad von ihrem sechzehnjährigen Freund abgeholt wurde, die beide mindestens ausgepeitscht, vielleicht auch gesteinigt oder gehängt worden wären, wenn sie von einem Komitee-Mitglied angehalten worden wären. Später dachte ich, sie hätte mich vielleicht sogar aufsteigen sehen, aber in ihrer Vorstellung gab es das gar nicht, Mädchen, die auf Motorräder stiegen, waren jenseits ihrer Vorstellungskraft. Erst, als wir aus unserer Straße abgebogen waren, atmete ich auf und konnte mich auf dem Sitz in Pose setzen.
    Er war extra so weit in Richtung Süden der Stadt gefahren, um mich abzuholen. Jetzt fuhr er mit mir den ganzen Weg zurück, etwa vierzig Minuten durch die dicht befahrenen Straßen, über den Mirdamamad Highway, an den braunen Hügeln vorbei in den Norden der Stadt.
    Als wir den Shemiran Highway rauffuhren, schob ich meine Hände in die seitlichen Taschen seiner Lederjacke und drückte

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