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Hinter dem Mond

Hinter dem Mond

Titel: Hinter dem Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wäis Kiani
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ich war ja auch selbst eins. Klaus war ein stiller Mann. Obwohl er perfekt Farsi sprach, sagte er selten etwas. Er nervte mich nie mit blöden Fragen, sondern fragte mich ganz normal, wie es mir ging und was ich so machte, so als wäre ich ein vollwertiger Mensch, was sonst niemand in meiner Familie hinbekam.
    Klaus war angenehm und respektvoll distanziert, was ich von meinem Vater nicht kannte, der mich immer mehr mit seiner lauten Anwesenheit und seinen merkwürdigen Ansichten und neuen Erkenntnissen zur Weißglut brachte und neuerdings ständig irgendwelche beknackten Gesetze verabschiedete. Er sagte meiner Mutter sogar, wenn ihm nichts anderes mehr einfiel, wie sie das Fleisch braten, die Salatsoße machen und was für ein Tischtuch sie nehmen sollte. Und meine Mutter gehorchte dann auch noch, was mich wütend machte. Bei uns wurde die meiste Zeit geschimpft, geflucht und beleidigt. Wenn meine Eltern nicht mich beschimpften, beschimpften sie einander oder redeten schlecht über andere Leute. Lieber wäre ich Klaus’ und Pouris Kind gewesen, allein schon, weil ich dann einen herrlichen deutschen Nachnamen gehabt hätte: Müller!
    Meine Großeltern mütterlicherseits interessierten sich beide überhaupt nicht für Kinder, auch nicht, wenn es ihr einziges Enkelkind war, und redeten kaum mit mir, was ich nur bedingt angenehm fand. Ich war Feedback gewöhnt, und hier war ich immer nur das lästige Anhängsel meiner Mutter. Meine Stiefgroßmutter verbrachte die Sommer nur deshalb bei ihrem Mann in Rasht, damit es nach außen so aussah, als wäre die Ehe noch intakt. Sie saß die meiste Zeit rauchend im Wohnzimmer und zog ein angewidertes Gesicht, bis ihre Freundinnen zum Rommé und einem Glas Cognac kamen und sie sich darüber beklagen konnte, wie unglamourös ihr Leben im Iran sei und wie sie froh sei, bald wieder in London zu sein. Mein Großvater war tagsüber meistens unterwegs, kam abends nach Hause, hatte einen prächtigen Weißfisch aus dem Kaspischen Meer dabei, den er selbst zubereitete und in den Ofen schob und der wirklich köstlich schmeckte, im Gegensatz zu dem Essen, das Hadi, der Hausknecht, sonst für uns kochte.
    Meine Stiefgroßmutter hasste es zu kochen und kam aus einem Elternhaus, in dem die Dame des Hauses natürlich nie die Küche betreten hätte. Deshalb war es ihr egal, ob Hadi kochen konnte oder nicht, Hauptsache, sie musste es nicht tun, wenn sie in Rasht oder Teheran war. In London ging sie immer ins Restaurant oder ließ das Essen nach Hause liefern. Wenn ich mich über Hadis wässriges Essen beklagte, tat ich meiner Mutter leid, aber sie konnte es nicht ändern – wenn sie sich selbst in die Küche stellte, würde sie sowohl die Eltern beleidigen als auch sich selbst degradieren. Früher hätten sie richtige Köche gehabt, die hätten auch gut gekocht, aber ihr Vater kochte gerne selbst, jetzt wo der Drachen in London saß, und für die paar Wochen im Sommer musste eben Hadi herhalten.
    Ich fand Hadis Essen aber bei weitem degradierender, als ein weibliches Mitglied unserer Familie in der Küche kochen zu sehen.

    Meistens waren die hübschen Halbschwestern meiner Mutter aus London auch da. Meine Tanten waren der Hit. Sie hatten sich beide schon mehrmals die Nasen operieren lassen, rauchten Kette, machten dreckige Witze und hatten am Strand immer so winzige Bikinis an, dass sogar meine Mutter sich darüber aufregte. Und sie hatten beide einen Boyfriend in London, was ich zufällig von ihnen erfuhr, da es mir meine Mutter nicht erzählt hatte, weil es meinem Großvater nicht gefiel, und sie es auch missbilligte. Aber er konnte nichts dagegen tun, seine Frau hatte die Führung bei der Erziehung ihrer Kinder übernommen. Mein Vater nannte die Tanten deshalb auch: die Nuttenschwestern.
    Die Nuttenschwestern hatten aber tolle englische Mode-magazine dabei, den ganzen Koffer voller Klamotten wie die aus diesen Magazinen und waren im Gegensatz zu meiner Mutter sehr albern. Wir fuhren meistens eine halbe Stunde raus aus der Stadt, ans Meer, und zwar in einen neuen privaten Beach Club. In dem Beach Club gab es einen langen, breiten Sandstrand, Sonnenschirme aus Stroh und blaue Liegen, mehrere Restaurants, einen großen und einen kleinen Pool, einen Tennisplatz und Spielplätze. Pauli und ich waren ein Team und hatten dort immer genug zu tun, und zur Not lernte man schnell noch irgendwelche Kinder kennen. Da der Club ziemlich elegant und exklusiv war, waren die Kinder auch nicht ganz so schlimm

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