Hinter dem Mond
Spiegeln, und lauter Kristallzeug, große, leere Kristallschalen und Bodenvasen standen einsam herum, und darüber hingen große Lüster, so viele und so groß, wie ich sie noch nie in meinem Leben gesehen hatte. Aber die Lüster und das ganze Zeug waren nicht so hässlich wie die Papageien und der Ramsch von Maman.
»Das hat alles mein Großvater vor fünfzig Jahren aus Russland mitgebracht, meine Liebe!«, sagte meine Mutter hoheitsvoll, als ich mich auf einen kleinen hellrosa Seidensessel setzte. »Das ist aus der Zarenzeit, solche Sachen gibt es heute gar nicht mehr zu kaufen. Und setz dich nicht mit deinem dreckigen Hintern auf die Seide! Los, weg da.«
Die Veranda zog sich rund um das erste und zweite Stockwerk des Hauses, sodass es fast ein wenig aussah wie die alten Häuser, die ich von den Schwarz-Weiß-Fotos im einzigen chinesischen Restaurant in Teheran kannte. Ich war einmal dort gewesen, mit meiner Freundin Hilde und ihren deutschen Lehrer-Eltern, die beide an unserer Schule unterrichteten.
Aber jedes Mal, wenn wir ans Kaspische Meer, oder »Kaspi«, wie es die Deutschen nannten, wollten, gab es vorher einen Riesenkrach zwischen meinen Eltern. Aus irgendwelchen Gründen hasste mein Vater die Familie meiner Mutter und meine Mutter die von meinem Vater. Im Gegensatz zu meinem Vater war meine Mutter immer sehr nett und liebenswürdig zu den Eltern und Geschwistern meines Vaters und ließ sich nichts anmerken. Mein Vater hingegen machte aus seiner Abscheu kein Geheimnis. Warum er meinen Großvater so sehr hasste, dass er jedes Mal streiten musste, wenn wir dorthin eingeladen waren, habe ich nie herausfinden können. Es hatte auf jeden Fall etwas mit Geld zu tun, wovon der Vater meiner Mutter sehr viel besaß, viel mehr als der Vater meines Vaters, und damit, dass bei der Hochzeit meiner Eltern irgendetwas nicht so gelaufen war, wie mein Vater es wollte. Er trug auch nie die goldene Uhr, die die Eltern meiner Mutter ihm zur Hochzeit geschenkt hatten, das warf ihm meine Mutter dann im Streit gerne vor, um sofort zu erwähnen, dass ihr Hochzeits-Brillantring zwei Nummern kleiner ausgefallen war als von ihr erwünscht. Und dann zählten sie sich gegenseitig auf, wann, wie und wo sie unter der Familie des anderen gelitten hatten.
Wenn dann endlich entschieden wurde, dass wir doch ans Meer fuhren, fiel meinem Vater ein, dass er seine Praxis nicht zu lange schließen konnte, und so kam er immer nur zum Schluss auf das verhasste Anwesen seines Schwiegervaters, um uns abzuholen und auf der Rückfahrt nach Teheran meine Mutter ausgiebig anzuschreien und ihre Familie gehörig mit Worten, die ich nicht kannte, zu beleidigen. Die Zeit dazwischen war immer ziemlich langweilig für mich, außer wenn Cousine Pouri mit Klaus, Pauli und Minou auch in ihrem Haus in Rasht waren. Die Mutter von Pouri lebte bei ihrer Tochter und ihrem Schwiegersohn, sie war die Schwester vom Vater meiner Mutter und war auch mit irgendwie im Reis- und Teebusiness.
Pouri war vor vielen Jahren zu ihrem Bruder nach Deutschland geschickt worden, um irgendetwas zu studieren. Ihr Bruder studierte Medizin wie mein Vater, nur wollte er nach dem Studium nie mehr zurück in den Iran und lebte mittlerweile glücklich mit seiner Modelfreundin als Arzt in Berlin. Ich weiß nicht, was Pouri in Deutschland machte, jedenfalls war sie in den Sommerferien in Teheran und entdeckte einen großen, blassen Mann, der in einem Teppichgeschäft verzweifelt versuchte, sich zu verständigen. Pouri kam ihm mit ihren guten Deutschkenntnissen zu Hilfe, er kaufte erst den alten Teppich und verknallte sich dann total in sie. Verknallen bedeutete heiraten für Pouri und ihre Familie, also musste Klaus auf iranische Art um ihre Hand anhalten, und es gab eine rauschende persische Hochzeit mit einer achtstöckigen Torte, Blumenmeer und kreischenden Brautjungefern in Petticoats und spitzen Pumps. Es waren ja die Sechziger. Klaus und Pouri lebten nach der Hochzeit in Teheran, denn Klaus war Ingenieur für ein Deutsch-Iranisches Raffinerieprojekt und baute den doofen Persern Raffinerien für ihr Öl.
Ich mochte Pouri, Klaus und die Kinder sehr. Sie waren nett, angenehm liebevoll, ohne dabei falsch und verlogen zu sein wie die anderen, und irgendwie total normal. Und sie sprachen gerne Deutsch mit mir. Pouri war so etwas wie meine allererste Stilikone zum Anfassen. Sie war auf eine sexy Art sehr knochig, was ich schön und auch etwas rührend fand. Ich mochte zu dünne Mädchen,
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