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Hinter dem Mond

Hinter dem Mond

Titel: Hinter dem Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wäis Kiani
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mich wie die Frauen in der Vogue in einem winzigen Bikini räkeln könnte. Unser Pool war, wie alle Pools in Teheran, mit knallblauer Farbe angemalt, die überall am Rand abblätterte. Den von meiner Großmutter mit teurem Trinkwasser mühsam gezüchteten Rasen durfte man nicht betreten. Drumherum hatte sie hässliche Großmutterblumen gepflanzt. Eigentlich fand ich meine gesamte Umgebung unerträglich hässlich. Alles war hässlich, unsere Wohnung, die Wohnungen der anderen, fast alle Einrichtungen überall, die entsetzlich kitschigen, überkandidelten Stilmöbel mit Gold, Ornamenten und Brokatstoffen, die opulenten Vorhänge mit goldenen Bommeln dran aus scheußlichen Stoffen, die zwanzigarmigen Kristalllüster mit ihrem grellen Licht, weil Perser Helligkeit liebten und in gedämpftem Licht depressiv wurden. Die immer und überall lieblos gedeckten Tafeln, das geschmacklose Geschirr, die Tischtücher, die mit viel zu vielen bunten Teppichen bedeckten Böden, die kitschigen Gemälde in Goldrahmen und die generell seltsame Auffassung von Dekoration. Je reicher die Leute waren, desto größer die Lüster, desto mehr Gold und Säulen, Spiegel und desto mehr Zimmerbrunnen mit Wasserfontänen mitten im Salon. Dann wurde persische Musik, die mir vor lauter Abscheu teilweise die Tränen in die Augen trieb, gespielt, und die ersten Frauen standen auf, zogen ihre Schuhe aus und begannen auf Nylonstrümpfen zu tanzen. Ich fand das mehr als schrecklich entwürdigend und schämte mich ganz entsetzlich. Für mich und für alle anderen mit. Dann zogen die Frauen die Männer aus ihren Sesseln heraus, die sich nicht schämten, in ihren Anzügen zu der grauenvollen Musik ihre persischen Moves zu machen, als wären sie in einem Tanztempel. Meistens verzog ich mich vorher schon unauffällig, aber spätestens wenn mich dann irgendeine entfernte Tante am Arm zog und schrie: Lilly bayad beraghse (Lilly muss tanzen), stand ich wütend auf, ging in ein anderes hässliches Zimmer und begann schnell in dem Buch zu lesen, was ich vorsorglich immer bei Einladungen bei mir trug, um vor all dem zu flüchten, was um mich herum geschah. Für die anderen war ich eben das sozial gestörte Kind meiner Eltern, das einfach immer schlecht gelaunt war, weil es keine Geschwister hatte. Ich wusste damals selbst nicht, wie es sein konnte, dass ich als Einzige ein ganzes Volk und seine Gewohnheiten mitsamt dem Land, in dem es lebte, so ablehnen musste. Aber für mich war einfach fast alles eine Enttäuschung oder peinlich oder unerträglich bis zur Schmerzgrenze. Ich fand sogar die Straßen hässlich, die vielen rostigen, verbeulten Autos, die ich in einem anderen Land noch nie gesehen hatte, die Geschäfte mit ihren scheußlichen Schaufenstern, randvoll gestopft mit billigen Waren, die Restaurants, die Schilder, die Reklame, die Häuser, die Tore, die Fenster und ihre Metallrahmen, die beim Anstreichen von den Malern achtlos übermalt wurden, genau wie die Lichtschalter, die gegipsten Wände ohne Tapeten, die vielen, vielen Mauern in der ganzen Stadt und die großen rostigen Cooler der Klimaanlagen, die einsam auf den Flachdächern der Häuser rumstanden. Nichts, außer Pouri und den Freundinnen meiner Mutter, sah in meiner Umgebung aus wie in der Vogue, ganz im Gegenteil. Ich hatte auch deshalb ständig das Gefühl einer tiefsitzenden Unzufriedenheit, gepaart mit der Gewissheit, aus Versehen an einem vollkommen falschen Ort gelandet zu sein.
    Zwei Wochen später war die Hochzeit im Schahanschahi-Club, einem teuren Privatclub in einem großen Park, dessen Mitglieder in irgendeiner Weise mit dem Hof in Verbindung standen. Wir waren natürlich nicht Mitglied, aber die Familie der Braut, die das Fest nach persischer Tradition ausrichten musste, war es anscheinend. Der ganze Garten, oder besser Park, war mit Lampions geschmückt, um den großen Pool waren lange Tische aufgebaut, wo Männer in weißen Jacketts Champagner ausschenkten. Es gab junge, schöne Frauen in langen Kleidern mit nackten Schultern und viele alte Frauen mit blond gefärbten Turmfrisuren und gigantischem Brillantschmuck. Der Pool war beleuchtet, und man sah die Netze des Tennisplatzes von weitem. Hier war nichts hässlich. Meine Eltern sahen toll aus. Leider waren meine Großeltern auch dabei, aber ich ignorierte sie mit ihren missmutigen Gesichtern einfach. Mein Vater hatte einen schwarzen Smoking an und meine Mutter das Geha-tintenblaue Chiffonkleid mit einer großen Blume aus demselben

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