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Hinter dem Mond

Hinter dem Mond

Titel: Hinter dem Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wäis Kiani
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fallen. Ihre Augen waren vor Schreck weit aufgerissen.
    »Iiih!«, flüsterte sie laut, »ich hab Michaels Pimmel gesehen!« Michael Samidi war hochaufgeschossen und hatte eine lange, braune Windhundfrisur.
    »Iiih«, machte ich entsetzt. Und dann angeekelt: »Und wie sah der aus?«
    Ihr Gesicht war vor Abscheu verzerrt:
    »Total eklig! Ganz weiß! Wie bemehlt!«
    Und dann kreischten wir beide laut auf und rannten weg. Wir waren eben einfach nur blöde Mädchen.
    Die erste Party in diesem Herbst wurde ausgerechnet von Michael, dem Jungen aus der Umkleide, gegeben. Seine Eltern waren nicht da, und er hatte fast alle Mädchen eingeladen, mit Ausnahme der noch Dreizehnjährigen.
    Um kein Risiko einzugehen, erzählte ich zu Hause, ich würde das Wochenende bei Sonja verbringen, um ihrer Stiefmutter zu helfen, das Babyzimmer einzurichten. Das mit dem Babyzimmer war natürlich der totale Quatsch, aber mein Vater war in letzter Zeit einfach zu unberechenbar, und meine Mutter war auch schon wieder so unzufrieden wegen allem und malte mir regelmäßig superfies meine schwarze Zukunft an die Wand: geschwängert durch meine maßlose Herumtreiberei und ohne Schulabschluss wegen meiner jetzt schon schlechten Noten. Bei Sonja zu Hause hatte Dee in den meisten Dingen das Sagen, und der Vater glaubte alles, was Dee sagte. Sonja meinte, das läge daran, dass sie die ganze Zeit Sex hätten, obwohl Dee einen dicken Bauch hatte, weil ihr Vater ein notgeiler Zwerg sei. Ich fand die Vorstellung, wie der notgeile, kahle Zwerg sich über die schöne, große Dee hermachte, ekelhaft, fand es aber super, dass Dee ihren Job anscheinend so gut machte, dass der Alte ihr alles glaubte. Vor allem glaubte er Dee, dass Teenager unbedingt und ganz viel auf Partys gehen müssten, um sich zu großartigen Menschen zu entwickeln, allein deswegen liebten wir sie. Aber Dee sagte auch, wir sollten Sarah mitnehmen, was keine gute Idee war. Zum Glück zog Sarah eine Schnute und schlich davon, während sich ihre dicken Oberschenkel in ihrer schlecht sitzenden Stoffhose aneinander rieben, und murmelte: »Ich will nicht mit auf eure blöde Party.«

    Ich packte meine schönsten Disco-Klamotten schon Mittwochabend in eine Reisetasche und nahm sie Donnerstagmorgen mit zur Schule. Sonja und ich waren beide etwa gleich groß, Sonja war sogar zwei Zentimeter größer, das wussten wir genau, denn wir nahmen fast täglich Maß und machten Striche an unseren Türrahmen, um zu prüfen, ob wir vielleicht doch noch einen Millimeter gewachsen waren. Ich hatte die ersehnten 1,70 Meter leider noch nicht erreicht, und meine Mutter behauptete, das würde ich auch nicht mehr schaffen, wenn man seine Tage bekommen hat, würde man nicht mehr wachsen. Eigentlich war ich ziemlich zufrieden, dass ich trotz meiner winzigen Mutter nicht so klein geblieben war wie alle persischen Mädchen, aber mir fehlten noch zwei Zentimeter zum Traummaß. Aber anstatt in die Länge zu wachsen, wuchsen nur meine Brüste auf bedenkliche Weise und bildeten einen regelrechten Balkon unter meinem Kinn. Sie waren plötzlich riesig, prall und taten weh, wenn ich auf dem Bauch schlief. Die zarten BHs, die meine Mutter mir in London gekauft hatte, waren schon wieder fast zu klein geworden, jedenfalls quoll mein Busen oben über, und die feine Spitze der BHs konnte die Dinger kaum noch bändigen. Ich hasste die BH-Tragerei, aber ohne BH zu gehen war undenkbar geworden. Außerdem ließen die Jungs gerne ihren Finger an meinem Rücken entlangfahren, und wenn der Finger dann über den BH-Verschluss holperte, schrien sie: »Lilly trägt einen Beeehaaaaaaaaaa!« Und dann grölten die anderen: »Lilly, zeig uns bitte deinen BH!«
    Oder: »Lillys Hintern ist ganz klein, aber etwas anderes ist total groß!«
    »Ja, meine Füße«, sagte ich trocken. Aber dann grölten sie noch mehr.
    Oder sie kamen von hinten angeschlichen und zogen an dem BH-Gurt auf meinem Rücken und ließen ihn schnalzen. Das passierte alles plötzlich in der kurzen Zeit nach der sechsten Stunde, in der wir mit ihnen zusammen waren. Auf einmal musste ich nicht mehr allein und unbeachtet in meinen Bus klettern. Ich wurde beachtet, von Jungs, die ich gar nicht kannte. Sonja meinte, sie würden mich damit natürlich nur aufziehen, weil sie mich toll fanden. Jungs ärgern keine Mädchen, die sie doof finden. Ich glaubte nicht, dass es so war, und ich hätte auf die Art von Anerkennung gerne verzichtet. Die Busenscherze verunsicherten mich zutiefst, und

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