Hinter der Nacht (German Edition)
Gesellschaft!“
Nach dieser
eindrucksvollen Rede, die ich so schnell wie möglich hervorgestoßen hatte,
bevor mich der Mut verließ, stapfte ich schwer atmend zu meinem Stuhl, rückte
ihn so weit wie möglich von ihm weg und setzte mich dann ohne weitere
Umschweife mit verschränkten Armen und zusammengekniffenen Lippen hin. Den Rest
der Stunde würdigte ich meinen Nachbarn keines Blickes mehr.
Arik
Ich starre mein
Gegenüber mit äußerster Verblüffung an. Weil ich nämlich keine Ahnung habe,
wovon sie redet. Ich kann mich an keine Party erinnern. Unterdessen steigert
sie ihre Stimme immer weiter, ohne dass ihr aufzufallen scheint, dass in der
Klasse alle Gespräche verstummt sind und jeder offenbar äußerst interessiert
ihren Auftritt verfolgt. Als sie fertig ist und ich schon befürchte, dass sie
vor lauter Aufregung gleich umkippt, stolziert sie mit verkniffenem Mund um den
Tisch herum, bis sie ihren Platz erreicht hat. Dann dreht sie ihren Stuhl so,
dass sie mir den Rücken zuwendet, und verschränkt abwehrend die Arme. Ich habe
selten ein so lächerliches Benehmen erlebt.
Die Ankunft von
Miss Urquhart beendet das hektische Getuschel um uns herum, aber ich bekomme
zum zweiten Mal in Folge absolut nichts von ihrem Unterricht mit. In meinem
Kopf drehen sich die Gedanken. Von was für einer Party hat sie nur gesprochen?
Es kostet mich
ein paar Stunden unauffälliger Nachforschungen, dann weiß ich es. Zum Glück
blüht der Klatsch an dieser Schule so wie überall. Es ist wirklich nicht sehr
schwer, die Menschen auszuspionieren.
Mein Entschluss
ist schnell gefasst. Diese Party ist die Chance, auf die ich gewartet habe,
seit ich ihr zum zweiten Mal begegnet bin. Die Chance, mehr über ihren
Begleiter herauszufinden. Siespielt dabei keine Rolle. Das einzige, was
mich interessiert, ist seine beunruhigende Ähnlichkeit, die mir so unerwartet
ins Auge gesprungen ist. Und die wahrscheinlich nichts als Zufall ist. Aber
trotzdem – bevor ich meinen Verdacht nicht hieb- und stichfest ausgeräumt habe,
wird er mir keine Ruhe lassen. Und deswegen werde ich auf diese Party gehen.
Mein erster
Eindruck: Es ist laut, voll und ätzend. Überall drängeln sich betrunkene
Menschen, der Krach dröhnt in meinen Ohren, und ständig werde ich angerempelt.
Am liebsten würde ich sofort wieder umdrehen, aber das kommt nicht in Frage.
Also beiße ich die Zähne zusammen und begebe mich mitten hinein ins Getümmel.
Ich halte Ausschau nach dem Jungen, aber er ist nirgends zu entdecken.
Stattdessen
finde ich mich plötzlich in einem Kreis wieder, bei denen auch einige bekannte
Gesichter sind. Doch wie immer scheint mich niemand wahrzunehmen. Diese
menschliche Angewohnheit, jeden zu ignorieren, der nicht den eigenen
Vorstellungen entspricht, kenne ich schon zur Genüge. Und normalerweise finde ich
sie ja auch recht nützlich. Deswegen irritiert es mich, dass es mir diesmal auf
die Nerven geht.
Irgendjemand
drückt mir ungefragt ein Glas mit einem klaren goldbraunen Getränk in die Hand.
Nicht, dass ich vorhabe, irgendwas davon zu trinken. Aber während ich mich noch
nach einer geeigneten Stelle umsehe, um das Glas loszuwerden, entdecke ich auf
einmal sie . Sie sieht anders aus, und zwar nicht nur äußerlich, aber ich
brauche eine Weile, bis ich darauf komme, wieso. Ohne diese lächerliche
Schuluniform, in ihren eigenen Klamotten, wirkt sie weniger falsch. Echter.
Mehr sie selbst. Zum ersten Mal höre ich sie sogar lachen. Der Klang macht mich
unruhig. Ihr Lachen erinnert mich an andere Zeiten. An ein anderes Lachen. Das
schon längst verstummt ist. Sie redet fröhlich mit den Typen, die um sie
herumstehen. Auch ihre Stimme klingt anders. Unbeschwert. Freundlich. Auf
einmal verspüre ich den ganz irrationalen Wunsch, dass diese Stimme so auch mit
mir spricht. Dass ihr Lachen mirgilt.
Als hätten meine
Gedanken sie herbeigerufen, steht sie plötzlich vor mir. „ Chin chin. “
Ehe ich weiß, wie mir geschieht, sind die Worte schon aus mir rausgerutscht.
Sie blickt auf, und schlagartig erlischt ihr Lächeln. Unvermittelt umhüllt mich
wieder Dunkelheit.
„Was willst du?“,
fährt sie mich an. „Weswegen bistdu hier?“
„Wegen dir jedenfalls nicht“, schlage ich zurück. Als ob ich ihr irgendwelche Rechenschaft
schuldig bin. Sie geht mir echt auf die Nerven. Ich wünsche mir nichts inniger,
als dass sie mich endlich in Ruhe lässt wie alle anderen auch!
Zu meinem
eigenen Entsetzen höre ich mich jedoch auf
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