Hinter der Nacht (German Edition)
zusammen und
kämpfte mich durch jede einzelne Übung. Leider konnte ich aber nicht
verhindern, dass mir dabei der Schweiß schon nach kurzer Zeit in Strömen das
Gesicht und auch sonst überall hinunterlief und ich mit Sicherheit einen
glühend roten Kopf hatte. Aber wenigstens konnte er mir nicht nachsagen, ich
hätte gekniffen. Ich hörte immer erst auf, wenn ich mindestens genau so viele
Einheiten wie er absolviert hatte. Dabei bemühte ich mich mit allen Kräften,
eine mindestens genau so unbewegliche Miene beizubehalten wie er.
Als das
Muskeltraining endlich für beendet erklärt wurde, atmete ich erleichtert auf
und trat sofort von Arik weg.
„Halt, halt!“
Jordans Stimme hielt mich auf. „Ihr seid noch nicht fertig!“
Ein allgemeines
Stöhnen folgte, in das auch ich einstimmte. Nur Arik verzog natürlich immer
noch keine Miene.
„Nach dem
Konditionstraining wollen wir mal eure Reaktion ein wenig fordern. Ihr stellt
euch gegenüber auf wie beim Kumite , mit genau einer Armlänge Abstand.
So.“ Jordan zog einen der Jungs zu sich heran und demonstrierte, was er meinte.
Sein Partner stand ihm jetzt direkt gegenüber. „Die Arme nehmt ihr locker an
die Seite. Dann – und das ist das Wichtigste – schaut ihr eurem Gegner tief in
die Augen.“ Er zog die Brauen zusammen und starrte dem Anderen übertrieben ins
Gesicht. Einige lachten. Jordan zwinkerte, aber dann wurde er wieder ernst.
„Lasst euren Blick keinen Moment abschweifen! Wenn ihr genau hinseht, könnt ihr
den Augenblick erkennen, in dem euer Gegner angreifen will. Aber dazu muss man
konzentriert sein und scharf beobachten. Ihr greift immer abwechselnd an und
versucht, den Anderen mit eurer Hand seitlich am Oberarm zu berühren. Wer es
zuerst schafft, kriegt jeweils einen Punkt. Alles klar?“ Allgemeines Nicken.
„Dann - hajime !“
Jordan hatte
beim Erklären vorgeführt, was wir tun sollten, und normalerweise war dies keine
schwierige Übung. Ich hatte sie schon oft gemacht und war eigentlich recht gut
darin. Eigentlich . Mit jedem anderen Partner. Aber mit ihm?
Das Problem mit
Arik war nicht nur das Schnellsein, obwohl er mir auch da überlegen war,
solange er nur seinen Arm bewegen musste. Das noch viel größere Problem mit ihm
war jedoch das In-die-Augen-schauen. Der Trick war nämlich, dass sich
Sekundenbruchteile vor einem Angriff bei einem Menschen die Pupillen kurz
blitzartig zusammenzogen. Wenn man diesen Augenblick erkannte und ohne Zögern
handelte, konnte man seinem Gegner zuvorkommen. Wie aber sollte ich das bei
diesen unmöglich dunklen Augen schaffen, wenn ich seine Pupillen noch nicht
einmal von ihrer Umgebung unterscheiden konnte? Und wenn ich mich schon
außerstande fühlte, ihm überhaupt in die Augen zu schauen, weil ich dann sofort
das Gefühl hatte, in tiefster Nacht zu versinken?
Wie immer nahm
Arik auf mein Zögern keinerlei Rücksicht. Kaum war das Startkommando gefallen,
ging er auch schon in Angriffsstellung und starrte mich aus zusammengekniffenen
Augen herausfordernd an. Mir blieb nichts Anderes übrig, als es ihm
nachzumachen. Widerstrebend nahm ich Kampfposition ein und richtete meinen
Blick dann auf seine Augen.
Diesmal traf
mich der Anprall der kalten, schwarzen Finsternis nicht so unvorbereitet wie
die vorherigen Male, aber ich brauchte trotzdem meine gesamte Konzentration, um
seinem Blick auch nur standzuhalten. Verzweifelt bemühte ich mich, in der
Dunkelheit irgendetwas zu erkennen, was auf einen Angriff schließen ließ, aber
alles, was ich sah, war unergründliche Tiefe. Ich kämpfte gegen das
Schwindelgefühl an, das mich plötzlich überkam, und vergaß dabei ganz, worum es
hier eigentlich ging. Zack! Schon hatte Arik mich am Arm erwischt, und
ich zuckte viel zu spät zurück.
„Eins zu null!“,
sagte er gelangweilt.
Wütend riss ich
mich zusammen. So würde ich ihn nie in seine Schranken weisen. Ich vermied es,
mich noch einmal den Gefahren seines Blicks auszusetzen, und entschied mich für
eine andere Taktik. Bevor er wieder zuschlagen konnte, schnellte ich meinen
rechten Arm blitzartig nach vorn und zielte dabei direkt auf seinen Bizeps.
Doch noch bevor ich ihn erreichte, war er schon elegant mit dem Oberkörper zur
Seite ausgewichen, ohne sich dabei auch nur einen Zentimeter von der Stelle zu
bewegen, und hatte mich gleichzeitig am linken Arm erwischt. Mist! Er schien offensichtlich keine Probleme damit zu haben, in meinen Augen zu lesen.
Ich beschloss,
dass meine einzige Chance in
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