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Hinter der Nacht (German Edition)

Hinter der Nacht (German Edition)

Titel: Hinter der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Walter
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ebendiesen Jungs je wieder unter die Augen treten?
     
    Karate am Montag
und Sport am Dienstag schwänzte ich. Offiziell hatte ich Migräne, die sich ab mittags
unerträglich steigerte. Zumindest erzählte ich das der mitfühlenden Sekretärin,
bei der ich das Entschuldigungsformular ausfüllen musste. Jenny, die sowieso
beleidigt war, weil sie nicht eingeladen gewesen war, und Mike dagegen
glaubten, dass ich unter einer besonders hartnäckigen Form des Katers litt. In
Wahrheit aber war mein Kopf völlig in Ordnung. Zumindest, was das anging.
Ich brachte es nur einfach nicht über mich, ihm gegenüberzutreten. Was,
wenn auch erzu den Jungs gehört hatte, die ein Opfer meiner
Hemmungslosigkeit geworden waren?
    In der
Mittagspause schaute ich mich ständig um, ob ich sein Gesicht irgendwo
erblickte. Mir war klar, dass ich ihm natürlich nicht auf Dauer aus dem Weg
gehen konnte. Früher oder später würde ich mich ihm stellen müssen. Aber wenn
es nach mir ging, würde das eher später sein. Viel, viel später.
    Nachdem ich die
beiden Tage ohne die gefürchtete Begegnung hinter mich gebracht hatte, hoffte
ich auf Ruhe bis wenigstens zum Donnerstag, wenn das nächste Karatetraining anstand.
Deswegen ging ich am Mittwoch deutlich entspannter als an den beiden
vorhergehenden Tagen zur Schule und blickte mich nicht mehr ununterbrochen
hektisch um.
    In der dritten
Stunde hatte ich zum ersten Mal Geschichte, was in der ersten Woche noch ausgefallen
war. Geschichte hatte mich schon immer interessiert, und ich hoffte, vor allem
mehr über die schottische Vergangenheit zu erfahren. Meine diesbezüglichen
Kenntnisse stammten vor allem aus Filmen wie Highlander und Braveheart ,
was zweifellos nicht allzu nah an der Realität lag.
    Automatisch
scannte ich zuerst den Klassenraum nach bekannten Gesichtern – vor allem einembekannten Gesicht – bevor ich ihn betrat. Aber keiner sah mich mit
besonderem Interesse an, und die gefürchteten schwarzen Augen begegneten mir
nicht. Nachdem alle anderen Plätze schon besetzt waren, steuerte ich den
einzigen noch freien Tisch an, der zum Glück in einer der hinteren Reihen
stand, und ließ mich daran nieder, um mich dann meiner üblichen Hinsetzroutine
zu widmen. Ich hatte nämlich inzwischen festgestellt, dass das Stehen und Gehen
in kurzen Röcken relativ einfach war im Vergleich zu den Problemen, die sich
beim Hinsetzen ergeben konnten. Deswegen verbrachte ich im Allgemeinen die
ersten fünf Minuten einer jeden Unterrichtsstunde damit, penibel noch einmal
die Lage jeder einzelnen Stofffalte zu überprüfen, bis ich einigermaßen
beruhigt war, dass niemand irgendetwas sehen konnte, was er nicht sehen sollte.
Danach saß ich dann steif und möglichst bewegungslos bis zum Ende der Stunde
auf meinem Platz, um mir im wahrsten Sinne des Wortes keine Blöße zu geben.
Auch diesmal führte ich mein Rock-Zupf-Ritual durch und widmete den
Geschehnissen um mich herum keinerlei Aufmerksamkeit. Unsere Lehrerin war noch
nicht da, deswegen ließ ich mir Zeit. Ich blickte auch nicht auf, als ein
dunkler Schatten auf mich fiel.
    „Ist hier noch
frei?“
    Ich erstarrte
mitten in meiner Tätigkeit und weigerte mich zu glauben, was ich da gerade
gehört hatte. Soviel Pech konnte ich einfach nicht haben! Wie schon am Samstag
jagte mir die raue Stimme einen Schauer den Rücken hinunter. Nicht wegen dem,
was er sagte, dieser Allerweltsfrage. Sondern wegen dem, wie er es sagte.
Irgendetwas schwang in seiner Stimme mit, was mir jedes einzelne Haar zu Berge
stehen ließ.
    Erst, als ich
mangels Alternativen doch widerstrebend aufblickte, schien auch er mich zu
erkennen. Seine Reaktion war eine Klasse für sich. Er fuhr regelrecht
angewidert zurück. Dann, während ich mühsam um Fassung rang, blieb er
(ebenfalls aus Mangel an Alternativen, nehme ich an) unentschlossen vor meinem
Tisch stehen.
    Die Ankunft
unserer Lehrerin, die so alt aussah, als hätte sie die gesamte schottische
Geschichte persönlich miterlebt, nahm ihm jedoch die Entscheidung ab. Ohne mich
eines weiteren Blickes zu würdigen, ließ er sich auf dem Stuhl neben mir
nieder.
    Von meiner
ersten, ursprünglich mit Spannung erwarteten, Geschichtsstunde bekam ich nicht
das Geringste mit. Selbst wenn Miss („Darauf bestehe ich, ladies and
gentlemen! “) Urquhart uns hieb- und stichfest die Existenz von Nessie, dem
Loch-Ness-Monster, nachgewiesen und ihre gesamte Familiengeschichte aufgezählt
hätte, wäre das ohne jede Spur an mir vorbeigerauscht.

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