Hinter der Nacht (German Edition)
Kissen sinken. Eins
wusste ich jedenfalls ganz sicher: Alkohol, insbesondere in der schottischen
Form von Whisky oder Cider, würde ich nie wieder anrühren.
Irgendwann viel
später – die Sonne schien mittlerweile hell in mein Zimmer - erwachte ich
wieder aus einem unruhigen Dämmerschlaf, der von wirren Träumen durchzogen
gewesen war. Ich verspürte ein dringendes Bedürfnis, das mich aus dem Bett trieb.
Vorsichtig richtete ich mich auf und stellte erleichtert fest, dass das
Schwindelgefühl ein wenig nachgelassen hatte. Dann konnte ich es ja vielleicht
wagen, mich ins benachbarte Badezimmer zu schleichen - vorzugsweise, ohne Mike
auf mich aufmerksam zu machen. Einer Begegnung mit ihm vor der ungewissen
Antwort auf die Frage, wie ich ins Bett gekommen war, fühlte ich mich eindeutig
noch nicht gewachsen. Nachdem ich erledigt hatte, was erledigt werden musste,
ausgiebig Wasser getrunken und es mir danach über Arme und Gesicht laufen
gelassen hatte, tappte ich zurück in mein Zimmer und ließ mich wieder ins Bett
fallen.
Beim dritten
Erwachen fühlte ich mich kaum noch müde, obwohl ich nach wie vor Kopfschmerzen
und großen Durst sowie ein flaues Gefühl im Magen hatte. Aus dem Garten drangen
Stimmen herauf, begleitet von anderen Geräuschen, die ich in meinem jetzigen
Zustand nicht einordnen konnte. Ich quälte mich aus der Waagerechten in die
Senkrechte. Wenigstens mein Gleichgewichtssinn schien sich einigermaßen erholt
zu haben. Barfuß, ansonsten aber noch in meinem vollen Partyoutfit – erst jetzt
fiel mir auf, dass ich offenbar in Jeans und T-Shirt geschlafen hatte – schlich
ich zum Fenster und lugte verstohlen hinunter auf die kleine Rasenfläche.
Mike war damit
beschäftigt, die Spuren des gestrigen Tages zu beseitigen. Mit schlechtem
Gewissen dachte ich, dass ich eigentlich dort unten bei ihm sein sollte, obwohl
ich am liebsten auch weiterhin unsichtbar geblieben wäre und mich in meiner
schützenden Höhle verkrochen hätte. Zumindest hätte ich gern meine
Erinnerungslücken aufgefüllt, bevor ich ihm gegenübertrat. Doch so angestrengt
ich auch mein Gedächtnis durchforstete, meine Bemühungen waren von keinem
Erfolg gekrönt, und vor allem die brennendste Frage – Wie war ich in dieser
Verfassung hierhin gekommen? – blieb leider unbeantwortet. Schließlich rang ich
mich dazu durch, meine Eitelkeit hinunterzuschlucken und mich dem Zeugen meines
gestrigen alkoholbedingten Niedergangs zu stellen. Früher oder später blieb mir
ja doch nichts anderes übrig.
Nach einer
heißen Dusche, angetan mit frischen Klamotten und den Flüssigkeitsspeicher mit
dem restlichen Wasser aus der Flasche an meinem Bett halbwegs aufgefüllt,
fühlte ich mich zumindest körperlich fit genug, den Gang nach unten anzutreten.
„Oh, Clarissa!
Auferstanden von den Toten?“
Ich verzog den
Mund zu einem gequälten Grinsen.
„Wie geht es
dir?“ Mike kam auf mich zu und schaute mich prüfend an.
Ich wand mich
unter seinem Blick. „Geht schon. Ich hatte ja reichlich Zeit, mich zu erholen.“
Das Pochen in meinem Kopf und die Übelkeit ließ ich lieber unerwähnt.
Aber Mike konnte
ich nichts vormachen. „Sehr erholt siehst du aber nicht aus. Hast du überhaupt
schon was gefrühstückt?“
Mich schauderte.
„Uuh. Ich werde nie wieder etwas essen.“
„So schlimm?“ Er
lachte mitfühlend. „Das kenn ich. Wenn du was im Magen hast, fühlst du dich
besser, glaub mir!“
Er zog mich
zurück in die Küche und drückte mir ein Stück Baguette, das von gestern übrig
geblieben war, in die Hand.
Ich sah es
zweifelnd an. Nach Essen war mir wirklich nicht, aber andererseits konnte etwas
Brot wohl keinen ernsthaften Schaden anrichten. Mike goss mir währenddessen ein
großes Glas mit Wasser ein, in das er irgendetwas Sprudelndes fallen ließ.
„Hier, für
deinen Kopf. Wenn du das aufhast, kannst du wieder raus kommen“, ordnete er mit
strenger Stimme an.
„Ja, Herr
Doktor“, erwiderte ich brav.
Er wendete sich
zum Gehen.
„Äh - Mike?“
„Ja?“ Er blickte
mich fragend an.
„War ich - sehr
schlimm gestern Abend?“
„Schlimm?“ Er
schüttelte den Kopf. „Quatsch. Natürlich nicht. Du warst einfach …“ - er schien
nach dem richtigen Wort zu suchen - „… süß. Hast ein paar Jungs den Kopf
verdreht. Die Clarissa kannte ich noch nicht. War – interessant!“ Damit
verließ er mich.
Ich blieb
niedergeschlagen zurück. Jungs den Kopf verdreht? Ich? Wem? Und wie sollte ich
mit diesem Wissen
Weitere Kostenlose Bücher