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Hinter Geschlossenen Lidern

Hinter Geschlossenen Lidern

Titel: Hinter Geschlossenen Lidern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Waters , Carolin Wagner
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Tags besprühte.
Dass ich Recht hatte mit dieser Vermutung, sagte mir eine Bemerkung zu ihrer Kollegin, die ich irgendwann zufällig mitbekam:
“... und wenn er glaubt, seine unschuldigen Augen und dieser blonde Heiligenschein könnten mich täuschen, ist das Kerlchen schief gewickelt.”
Es war das Ende einer Unterhaltung, in der es ganz klar um mich ging, denn sie zuckten beide zusammen, als ich eintrat. Das schlechte Gewissen stand ihnen ins Gesicht geschrieben.
Diese Erkenntnis äußerte sich bei mir in zwei Dingen: Am nächsten Tag ging ich zum Friseur und ließ meine peinlichen Locken rappelkurz schneiden. Danach nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und bat Ms. Digsby, mich doch mit meinem Nachnamen anzureden. Das mache vor den Mandanten einen besseren Eindruck. Sie tat es, hielt sich leider aber nur allzu genau an meinen Wortlaut. Sie sprach mich vor anderen mit Mr. Howard an und besaß die Frechheit, mich sofort wieder als kleinen Jungen zu behandeln, wenn wir allein im Raum waren.
Auch jetzt reckte sie wie eine überhebliche Schildkröte ihren grauen Kopf mit dem majestätischen Doppelkinn aus der Kostümjacke.
“Guten Morgen, Lee. Dein Vater telefoniert noch. Bitte setze dich so lange.” Fehlte nur noch, dass sie mir ein Malbuch heraussuchte, damit der Junge sich beschäftigen konnte, ohne auf dumme Gedanken zu kommen. Niedergeschlagen tat ich, was sie verlangte. Es wäre lächerlich gewesen, sie immer wieder zu korrigieren. Ms. Digsby saß sowieso am längeren Hebel. Ich konnte mich ja schlecht bei Vater über sie beschweren. Dann hätte er mir mangelnde Durchsetzungsfähigkeit vorgeworfen. Er mochte keine Schwächen, weder bei sich noch bei anderen.
Wenn unser Verhältnis auch ziemlich distanziert war – in meiner Kindheit hatte er sich kaum um mich gekümmert, so behandelte er mich spätestens seit dem Tod meines älteren Bruders doch mit einer gewissen Vorsicht und brachte mir mehr Aufmerksamkeit entgegen. Ich hatte sogar den Eindruck, er respektiere mich in gewisser Weise. Das wollte ich nicht aufs Spiel setzen und auf eine kleine Genugtuung konnte ich mich ja freuen. Sobald ich bei Vater am Konferenztisch saß, wurde von der Digsby erwartet, uns Kaffee zu servieren.
An diesem Tag jedoch schickte sie Claude mit den Getränken herein. Eine Anwaltsgehilfin, die seit einiger Zeit bei uns arbeitete und auch schon für mich recherchiert hatte. Sie mit so etwas zu beschäftigen, war nicht fair und das kam bei meinem Vater normalerweise gar nicht gut an. Heute jedoch hatte er seine Nase bereits zu tief in den Akten, um auf Claude zu achten.
“Die Vergleichsverhandlungen beginnen erst am zwanzigsten, aber am Montag treffen wir uns mit den Mandanten und bis dahin will ich mir einen Überblick verschafft haben.”, begann er, immer noch gedankenverloren in den Akten blätternd.
Erst wenn der Vergleich scheiterte, würden wir vor Gericht gehen.
Schließlich sah mein Vater zu mir auf und bedachte mich mit seinem berühmten bezwingenden Blick. “Wir haben also zwei Tage und das Wochenende, um uns in den Fall einzuarbeiten. Er ist ziemlich umfangreich.”
Ich nickte zuversichtlich. “Bin dabei.”
“Gut, dann gebe ich dir mal einen kurzen Überblick. Der Bruder des Verstorbenen, Milan Brunnweiser, hat uns beauftragt, für seinen Neffen und seine Nichte das Testament anzufechten. Wir sollen zunächst untersuchen, was bei der Gallenblasen-OP seines Bruders schief gegangen ist. Eigentlich ist das ein Routineeingriff, aber Carl Brunnweiser ist zwei Wochen später angeblich daran gestorben. Ms. Digsby hat bereits den Obduktionsbericht angefordert. Wir müssen dennoch die Ärzte und Schwestern des Krankenhauses befragen, vielleicht gibt es da etwas, wo wir ansetzen können.
“Mach ich.”
“Könntest du auch mehr über Brunnweisers Aktivitäten nach seiner Entlassung herausbekommen? Es gibt doch bestimmt jemanden vom Personal, den wir fragen können. Vielleicht ergibt sich da etwas. Der Rest ist zunächst viel Lesearbeit. Brunnweiser hat im Laufe der letzten drei Jahre über zwanzig Testamente geschrieben, hat sie alle gesammelt, anstatt die alten zu vernichten. Diese Angewohnheit könnte natürlich jemand für eine Fälschung genutzt haben, wie Milan vermutet. Nicht einmal Bishop – er ist der Rechtsanwalt, der Carl früher betreut hat, kennt sich da noch aus. Carl hat ihn nicht immer informiert, wenn er ein neues schrieb.“
“Nicht besonders schlau.”
“Eben, allerdings hat er gerade dieses letzte

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