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Hinter Geschlossenen Lidern

Hinter Geschlossenen Lidern

Titel: Hinter Geschlossenen Lidern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Waters , Carolin Wagner
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Schienbein. Früher wäre das meine Aufforderung zu einem kleinen Ringkampf gewesen. Zu meiner Überraschung nahm Clive die Herausforderung an.
Dazu gehörte, dass er aufschrie, obwohl es nicht wehgetan haben konnte. Er kam grinsend um den Tisch herum, zog mich vom Stuhl, drehte mich in der Luft, als wäre ich leicht wie eine Puppe und warf mich Kopf voran aufs Sofa.
“Du kleines Miststück. Ich zeig dir, wo es lang geht.”
Ich rollte mich herum und empfing ihn mit Tritten in die muskelbewehrte Magengrube, von denen er kaum Notiz nahm. Es war albern, aber so ein kleines Gerangel tat richtig gut.
Er warf sich mit seinem ganzen Gewicht auf mich und ich hatte Mühe, mich unter ihm wegzukämpfen. Leider machte das aber nicht viel Sinn, denn kaum war ich frei, hatte er mich schon im Schwitzkasten. Früher hätte er mehr Arbeit mit mir gehabt.
“Du hast ganz schön abgebaut, Mann. Gibst du auf?”
Ich hing in seinem Arm und nickte hektisch, weil er mir die Gurgel zudrückte.
Er lachte über meine Hilflosigkeit, gab mich aber sofort frei. Ich sank zu Boden und rang nach Luft.
“Am besten trainierst du morgens mit mir. Das kann man ja nicht mit ansehen, was du für ein Schlaffi geworden bist.”
Das stimmte zwar nicht ganz, ein Schlaffi war ich noch lange nicht, auch ich lief täglich meine Runden durch den Park. Aber regelmäßiges Krafttraining konnte nicht schaden. Die Hauptsache war jedoch, dass Clives Trübsinn endlich verflog.
Er nahm sein Handtuch von der Bank, das er eben dort vergessen hatte und drehte sich auf halbem Weg zum Bad nochmal nach mir um.
“War ein schöner Abend, gestern, was?”, sagte er und grinste breit.

Vier
    Auf dem Weg in die Innenstadt erreichte mich dann Jasons Anruf.
“Ich dachte, du rufst mich mal an.”, war das erste, was er sagte.
“Ich hatte wenig Zeit, bin umgezogen, zu einem Freund.”
“Doch nicht zu dem Typen aus der Bar, vor dem du dich damals schon nicht geoutet hast?”
“Doch genau zu dem, er heißt Clive.”
“Bist du Masochist oder was?” Wenn Jason nicht so eine tiefe Stimme gehabt hätte, er hätte wohl gekreischt mit dem Tonfall, den er mir durch den Hörer ins Ohr blies.
“Tu nicht so, als sei ich behämmert. Ich muss sowieso Rücksicht nehmen auf meinen Beruf und meine Familie, sonst kann ich mein Essen demnächst in der Suppenküche am Bahnhof schnorren.”
“Doch so schlimm, ja? Ich dachte, du hattest eine Beziehung, oder habe ich das missverstanden?”
“Ja schon, aber ...”
Er unterbrach meinen lahmen Versuch, irgendetwas zu beschönigen.
“Merkst du nicht, was du da tust? Du schließt eine Beziehung mit mir von Anfang an aus.”
“Das bei Clive ist ja nur vorübergehend.”
“Du suchst also wieder eine eigene Wohnung?”
Tat ich das? Bisher hatte ich noch nicht einmal einen Makler angerufen.
“Also, ähm ... ich bin sowieso jetzt nicht der Beziehungsmensch ...”, sagte ich verlegen. Das stimmte zwar nicht ganz, ich versuchte es eigentlich immer wieder, ich vermasselte es nur immer schon nach ein paar Monaten.
“Ah ja? Dann weiß ich ja Bescheid.”, meinte er sarkastisch.
Sicher, Jason war ein Leckerchen, doch irgendwie war ich zurzeit dieses sinnlose Karussell aus immer wieder neuen Beziehungen leid. Die Pause bei Clive tat mir gut. Endlich kam ich mal zur Besinnung. Das für Jason so schnell aufzugeben, dazu war ich nicht bereit. Also blieb ich hart.
“Tu nicht so, als wolltest du mich heiraten, Jason. Deine Anmache damals an der Bar sah mir doch reichlich routiniert aus.”
“Vielleicht, aber dein Vorspiel hat mich umgehauen.”, er lachte bitter. “Ich dachte, das mit dir könnte anders werden. Und jetzt sehe ich, dass du sogar vor deinen engsten Freunden den Schwanz einziehst.”
Er hatte ja Recht, aber ich konnte es nun mal nicht ändern. Kleinlaut fragte ich: “Triffst du dich trotzdem heute Abend mit mir?”
Er schwieg und ich dachte schon, jetzt wäre alles vorbei, bevor es richtig angefangen hatte, aber dann gab er doch nach.
“Am Freitag. Komm zu mir.”, sagte er und nannte mir seine Adresse.
Unsere Kanzlei war in einem supermodernen Backsteinbau in der Innenstadt untergebracht. Ich fuhr in den obersten Stock und meldete mich bei Vaters Sekretärin an.
Ms. Digsby kannte mich schon seit meiner Kindheit und musterte mich immer noch mit demselben grimmigen Blick von Kopf bis Fuß, als erwarte sie jeden Augenblick, mich unter meinem Maßanzug als heimlichen Wilden zu entlarven, der nachts Häuserwände und ganze Bahnzüge mit seinen

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