Hinter Geschlossenen Lidern
Ich küsste sein Haar – wie gut er roch! Etwas stieg in mir auf, meine Brust wurde eng und dann rollten mir Tränen über die Wangen. Erst jetzt wurde mir klar, wie lange ich sie zurückgehalten hatte. Dag nahm mich in die Arme, zog mich an sich und ließ mich weinen.
“Du liebst mich.”, flüsterte er in mein Haar. Es war eine Feststellung keine Frage.
Ich konnte nur stumm nicken. Wenn ich daran dachte, dass ich ihn für immer verlieren würde …
Anstatt jetzt wegzufahren, hätte ich mich am liebsten noch viel enger mit ihm verbunden. Warum konnte man nicht einfach unter die Haut des anderen schlüpfen und für immer eins mit ihm sein? So hatte ich bis jetzt nie gefühlt und wenn das ein Maßstab war, würde es vielleicht weitere sechsundzwanzig Jahre dauern, bis ich mich wieder so stark zu jemandem hingezogen fühlte – wenn überhaupt. Dabei fiel mir ein, dass ich ihm eines immer verweigert hatte. Es gab ja einen Weg, ihn in mir zu spüren. Ich wischte mir das Wasser vom Gesicht, sah zu ihm auf.
“Bevor wir uns trennen ... ich ... würdest du ...?”
Erstaunt, fast erschrocken sah er mir in die Augen. “Jetzt? Bist du sicher? Es tut weh, vielleicht ... beim ersten Mal wirst du vielleicht bluten, wenn wir es nicht vorbereiten.”
“Umso besser, dann spüre ich dich noch, wenn ich längst wieder zuhause bin.” Ich war jetzt fest entschlossen, wollte es unbedingt, doch er zögerte. Also tat ich den ersten Schritt und richtete mich auf, um die Gleitcreme vom Nachttisch nehmen, die damals schon dort gestanden hatte wie ein Mahnmal meiner Unentschlossenheit.
Dag schüttelte den Kopf. “Nein, ich mache das nicht. Nicht ohne Vorbereitung. Aber ich habe ein paar Tage Zeit. Wenn du bleiben kannst ...”
Ich konnte kaum glauben, was er sagte. Ich dachte an seinen Freund, aber an dieses Thema wollte ich nicht rühren. Natürlich hatte ich ein schlechtes Gewissen. Laura hatte mich gewarnt, mich nicht in Dags Beziehung zu drängen. Aber ich war viel zu glücklich in seinen Armen, um verzichten zu können. Wenn er nicht von ihm sprach, würde ich es auch nicht tun.”
Also rief ich bei Kim und im Verein an, es seien Probleme aufgetaucht und es würde länger dauern als geplant. Hartmann schluckte die Erklärung, Kim nicht.
“Du bist wieder in Oslo, oder?”
Ich hatte ihr nie von Dag erzählt und auch wenn sie sich wohl im Geschlecht irrte, wusste sie natürlich, dass da jemand war. Was ja auch kein Wunder war, schließlich hatte ich mich damals von ihr getrennt und sie zählte sicherlich eins und eins zusammen.
Ich stand am Küchentresen, beobachtete Dag, wie er das Gemüse fürs Abendessen putzte, und schaffte es einfach nicht zu lügen.
“Kim, es tut mir leid, dir das antun zu müssen ...”
Klick – sie hatte aufgelegt. Sie konnte sich den Rest denken. Aber ich wollte es jetzt endlich hinter mich bringen und rief sie erneut an. Sie nahm tatsächlich ab.
“Kim, bitte, hör mir zu. Ich mag dich und ich hätte es dir längst eher sagen müssen, aber ich habe mich verliebt.”
Dags Kopf flog hoch. Unsere Blicke trafen sich, hielten sich aneinander fest, während ich weitersprach.
“Ich weiß nicht, ob etwas daraus werden kann, aber so oder so – ich kann dich nicht heiraten, Kim. Es geht einfach nicht. Es wäre eine Lüge. Verzeih mir bitte, dass ich es dir so einfach am Telefon sage. Wir reden, wenn ich wieder da bin, ja?”
Ich hörte sie leise schluchzen, aber sie hängte nicht wieder ein. “Wir wollten in sechs Wochen heiraten und du liebst die ganze Zeit diese andere?”
Ich sah in Dags bernsteinfarbene Tiefen, schluckte und berichtigte das Geschlecht. Jetzt war alles andere auch schon egal.
“Es ist ein Mann, Kim. Ich liebe einen Mann.” Sie schrie auf.
“Ich habe dich wirklich gern, keine andere Frau kann mit dir mithalten.”, versuchte ich sie zu beruhigen und nutzte den kleinen Vorteil, den die Sache mit sich brachte. “Aber wenn du das Bedürfnis hast, dich an mir zu rächen, hast du jetzt die Gelegenheit dazu. Ich könnte es dir nicht verübeln.”
Sie lachte bitter. “Du meinst, ich soll das jedem sagen, der mich fragt, warum ich bei dir ausziehe? Das werde ich sicher nicht tun! Die Arbeit nehme ich dir nicht ab.”, fauchte sie mich an und damit war das Gespräch beendet.
Dag ließ das Gemüsemesser fallen und kam um den Tresen herum, gerade rechtzeitig, um mich in die Arme zu nehmen, bevor meine Knie unter mir nachgaben. Er drückte meinen Kopf an seine Brust und atmete in mein Haar.
“Du
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