Hinter Jedem Konflikt Steckt Ein Traum, Der Sich Entfalten Will
haben es nicht geschafft, die anderen von uns zu überzeugen oder für diese weiterhin liebenswert zu sein. Hier bleibt uns häufig nur die Schuldzuweisung, »du, du, du...«, weil der Schmerz und die Scham sonst nicht ausgehalten werden können. Manchmal spüren wir auch schon die eigene Verantwortung, können sie aber noch nicht bewusst annehmen,
weil die Verurteilung durch die anderen die Übernahme der eigenen Verantwortung zur verräterischen Selbstanklage macht. Das könnte sich wie doppeltes Verlassenwerden und Verlassensein anfühlen. Mitgefühl kann hier eine hilfreiche Haltung sein. Haben Sie Mitgefühl mit sich selbst, aber auch mit einem Menschen, den Sie in einem solchen Konflikttheater erleben. Gehen Sie davon aus, dass die Wahrheit und die dahinter liegenden Träume auf einer anderen Ebene zu finden sind und sich nicht mit einfachen kausalen Gesetzmäßigkeiten beschreiben lassen. Die Traumwelt schickt ihre Grüße auf besondere Weise.
Zerrissene Familien
Es sprachen mich auf meiner Reise viele Eltern und hier ganz besonders Mütter an und klagten darüber, dass ihre erwachsenen Kinder und Schwiegertöchter und -söhne keinen Kontakt mehr mit ihnen haben wollten. Einigen dieser Eltern war sogar der Kontakt zu ihren Enkelkindern untersagt. Vor allem für die Mütter und Großmütter war die Trennung furchtbar und schmerzhaft, sie erlebten ihre Situation als eine schreckliche und unverschuldete Bestrafung für eine Tat, die sie nicht begangen hatten. Natürlich wetterten sie gegen ihre Kinder und ganz besonders gegen ihre Schwiegertöchter und -söhne, denen sie die Hauptschuld an der erzwungenen Trennung und dem Zerwürfnis gaben.
Wenn wir anfangen, prozessorientiert zu denken, dann muss es etwas Gutes und Notwendiges an der Trennung geben, auch wenn sie noch so bösartig durchgesetzt und als schmerzhaft erlebt wird. Was könnte gut daran sein, sich zu trennen oder Trennung auszuhalten? Warum muss sie so brachial durchgesetzt werden? Meine Hypothese in solchen Fällen ist: Die Seite in jungen Menschen, die sich trennen möchte, das heißt ein eigenes, selbstbestimmtes Leben in einer neuen Familie leben möchte, hat keine richtige Erlaubnis dazu. Und ohne Erlaubnis für das absolut Notwendige muss dieses Notwendige sich zur Not mit Gewalt durchsetzen: »Ich will dich nicht mehr sehen. Bleib mir vom Leib, geh weg von mir, weil ich mit dir in der Nähe nicht frei sein kann und darf.«
Diese Hypothese bestätigte sich. Oft waren es Einzelkinder, die sich als Erwachsene von den Eltern auf
diese schmerzhafte Weise distanzierten. Die Kindheit war durch ein symbiotisches Zusammensein mit den Müttern geprägt, verstärkt vielleicht noch durch eine langwierige Trennungsgeschichte vom Vater oder durch den Verlust des Vaters durch Tod. Schon ein normales »Ich lebe mein Leben und treffe meine eigenen Entscheidungen« kann in Familien mit einem symbiotischen Beziehungsmuster grenzwertig sein. Liebe und Zuneigung werden hier mit Harmonie und Übereinstimmung verwechselt. Für Abgrenzung gibt es keine innere und oft auch keine äußere Erlaubnis. Interessant ist, dass in der Regel beide Seiten, die Eltern wie ihre erwachsenen Kinder, das gleiche Problem haben. Die Tochter sagt z.B.: »Meine Mutter engt mich ein, weil ich nicht sagen darf, dass ich sie lieber nicht so oft besuchen oder meinen Urlaub nicht bei ihr verbringen möchte oder meinen Garten auf meine Weise gestalten will. Sie hält das nicht aus.« Das ist die eine Seite. Die andere Seite ist: Die Tochter hält es nicht aus, wenn die Mutter traurig oder enttäuscht ist oder böse wird. Die Tochter will die Verantwortung für die Gefühle der Mutter nicht tragen und weiß noch nicht, dass sie das auch gar nicht muss. Mutter und Tochter brauchen sich gegenseitig, um den nächsten Schritt zu gehen und werden den Konflikt auch so lange haben, bis die Tochter sich trennen darf oder die Mutter ihre Enttäuschung und ihre Einsamkeit annehmen kann und sich beide trotz allem, was sie trennt, lieben können.
Liebe und Zuneigung werden oft mit Harmonie und Übereinstimmung verwechselt.
»Ich mag dich, auch wenn du weinst oder böse bist oder dich unangenehm benimmst«, könnte die Tochter
irgendwann sagen, dann braucht sie die Gefühle der Mutter nicht mehr als Einschränkung zu erleben. »Ich lasse dich unvernünftige Entscheidungen treffen und bin trotzdem für dich da, wenn alles schief geht«, könnten die Worte der Mutter sein. Beide brauchen Unterstützung,
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