Hinter Jedem Konflikt Steckt Ein Traum, Der Sich Entfalten Will
um dahin zu kommen. Manchmal ist es hilfreich, sich die familiäre Geschichte im Hintergrund genauer anzuschauen oder sich auf einen therapeutischen Prozess einzulassen, um sich von alten Komplexen zu befreien. Eine einzige Konfliktberatung reicht in familiären Krisen häufig nicht aus, um diese Zerrissenheit zu heilen. Konfliktberatung aber kann den Blick für den gemeinsamen Traum im Hintergrund öffnen und die notwendige Übernahme der Verantwortung für die eigene Not und das eigene Leiden erleichtern, auch wenn nur eine Person in die Beratung kommt. Eine neue Haltung kann eingenommen werden – der andere trägt nicht länger die Schuld – und ein Entwicklungsweg darf beginnen. Das alleine kann schon einige Wirks und Passierchen aus der Quantenwelt in Gang setzen und etwas Neues in der Beziehung und in der ganzen Familie entstehen lassen. Meine Erfahrungen in der Begleitung von Menschen bestätigen genau das. Wenn nur eine Person in einem Konflikt eine neue Haltung einnehmen kann, verändert sich etwas im ganzen System. Ich habe oft erlebt, dass auf einmal Geschwister sich wieder gemeldet haben, wenn Bruder oder Schwester ihre Haltung ändern konnten und nicht mehr nur auf die Schuld der anderen pochten. Da flattert plötzlich ein Brief ins Haus oder bei der gefürchteten Begegnung auf dem nächsten Familienfest ist alles ein wenig anders.
In der Einzelarbeit geht es nicht um die Schlichtung eines Streits von mehreren Personen, sondern vielmehr um die Förderung einer inneren Schlichtung in der betroffenen Person, die die Entscheidung getroffen hat, an sich selbst zu arbeiten. Das muss nicht ehrenrührig sein und ist kein Eingeständnis für eigene Schuld. Es entspricht vielmehr einer Wahrheit, dass es immer nur ein Mensch ist, der sich ändern kann und dessen Änderung tatsächlich beeinflusst werden kann: Das bin immer nur ich, die ich leide und klage und die Situation verändern möchte. Ändern kann ich nur mich selbst und auch erst dann, wenn mein Herz dafür aufgeschlossen ist.
Wenn ich in einer Auseinandersetzung stecke und leide, gibt es von mir aus gesehen nur einen Menschen, der etwas verändern oder erkennen sollte: Das bin ich selbst.
Fallbeispiel
Auf meiner Reise sprach mich die fünfzigjährige Petra S. nach einem Vortrag an. Einen Tag später saß ich bei ihr im Wohnzimmer und hörte ihre Geschichte: Sie hatte drei Söhne, die alle drei mit ihren jungen Frauen zusammenlebten. Auf der Hochzeit des jüngsten Sohnes war vieles schief gegangen, die Schwiegertochter wollte mit der Schwiegermutter nichts mehr zu tun haben und verweigerte ihr auch das Treffen mit dem einjährigen Enkelsohn. Die Freundin des ersten Sohnes war gerade schwanger und distanzierte sich ebenfalls von ihr. Für Petra war das Verhalten ihrer Schwiegertöchter furchtbar und absolut unverständlich. Trennung und Trennendes stand schwer im Raum und zwischen den Familienmitgliedern. Das Trennende wurde hier von den Schwiegertöchtern – die dritte Schwiegertochter sollte kurz vor ihrer Verheiratung nachziehen – so dick und groß gezogen, dass es nicht mehr zu übersehen war. Was dazu nicht zu passen
schien, war die große Liebe der Söhne für ihre Mutter, Petra S. zeigte mir ihre Liebesbriefe und Liebesbeweise. Meine prozessorientierte Hypothese, dass es etwas Gutes an der Trennung geben musste, bestätigte sich. Für das Trennende gab es zwischen Mutter und Söhnen keine richtige Erlaubnis. Für Petra S. war es immer noch selbstverständlich, alles für ihre Jungs zu tun. Sie machte ihren Söhnen großartige Geschenke, versorgte deren Hunde, auch wenn sie selbst keine Lust darauf hatte, sie schickte ihnen einen Gärtner ins Haus, den diese nicht bestellt hatten und vieles mehr. Und weil die Söhne mit der Mutter und die Mutter mit den Söhnen auf diese Weise eng oder zu eng verbunden waren, blieb es den Schwiegertöchtern überlassen, das Trennende zu vollziehen. Sie sind im Grunde genommen Verbündete im Familiensystem und sorgen für den notwendigen Ausgleich von zu viel Bindung und zu wenig Freiheit, das eigene Leben ohne Einmischung zu gestalten. Diese unterentwickelte Tendenz muss wahrscheinlich so schmerzhaft sichtbar für trennende Wirklichkeit sorgen, weil sie sonst nur schwerlich zu ihrem Recht kommt.
In einem familiären Gruppenprozess, zu dem sich die Mutter mit allen drei Söhnen und zwei Schwiegertöchtern einfand, arbeiteten wir die verschiedenen Positionen heraus. Dabei war es wichtig, dass alle Stimmen
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