Hinter Jedem Konflikt Steckt Ein Traum, Der Sich Entfalten Will
ihnen nicht gibt, was sie wirklich brauchen, oder die ständig an ihnen herumnörgelt und sie verändern will. Ähnlich der Mann, wenn er, ohne es zu wissen, die Rolle des Vaters seiner Frau übernimmt, zu hart oder zu weich ist, auf jeden Fall nicht richtig. Und alle bringen ihre Geschichten, ihre inneren Papa- und Mamastimmen und ihre Bilder mit von dem, was sein müsste, von dem, was hätte oder sollte. All das schreibt unbewusst mit am Drehbuch des ablaufenden Films, in dem beide feststecken.
W as häufig in Beziehungen fehlt, ist Freiheit. Die Freiheit, Ungewöhnliches oder Trennendes zu fühlen, zu denken und dem eigenen Herzen zu folgen und dies mitzuteilen. Viele denken, es sei der Partner, der sie unfrei macht, vor dessen Reaktion sie Angst haben, der sich endlich verändern und liberaler werden sollte. Vor lauter Partnerschaftsschelte werden die eigenen inneren Stimmen, die die Verbote aussprechen, nicht gehört, und es fehlt der Zugang zur eigenen Angst im Hintergrund.
Der Konflikt ist dann wie ein Drachen, der von beiden gefüttert wird und monströse Ausmaße annehmen kann. In einem afrikanischen Weisheitenbuch fand ich kürzlich folgenden Spruch von Sobonfu Somé: »Zur romantischen Liebe gehört es, seine wahre Identität zu verbergen, um akzeptiert zu werden. Man beginnt, alles Mögliche nur seinem Partner zuliebe zu tun und die eigenen Empfindungen zu vernachlässigen, bis man völlig erschöpft ist.«
Wie wahr! Werden die trennenden Seiten, die trennenden Empfindungen und Bedürfnisse nicht angeschaut, dann muss sich diese Seite mithilfe von Doppelsignalen und irgendwann mithilfe einer Krise zu Wort melden. Stellen Sie sich vor, die trennende Seite darf sich lange nur in unbeabsichtigten Signalen ausdrücken: nicht zuhören, sich wegdrehen, wenn der andere sich freut, gähnen beim gemeinsamen Spaziergang oder Essen, Kopfschmerzen vorm Zubettgehen usw. Und auf die Signale des Nichtwollens reagiert dann der andere erst insgeheim, dann offen. Hier kann eine Mischung aus quälenden Vorwürfen und fiesen Anschuldigungen gemixt werden, die irgendwann zum primären Prozess – »Wir verstehen uns nicht mehr und streiten uns nur noch« – des Paares werden muss. Das kommt manchmal einem Dammbruch gleich, der in der Folge alles Verbindende verwüstet. In der Trennung bekommt das Trennende die ersehnte Erlaubnis. Die Liebe wandert ab ins Traumreich und sorgt manchmal auf geheimnisvolle Weise dafür, dass das Paar noch jahrelang weiterkämpft oder manchmal auch wieder zusammenkommt.
Fallbeispiel
Auf meiner Reise durch Deutschland arbeitete ich mit einem Paar, das sich gerade in einem schmerzhaften Trennungsprozess befand. Sie hatten sich als Arzt und Arzthelferin vor vielen Jahren kennengelernt, bald geheiratet und Kinder bekommen. Ihren Wunsch, selbst Medizin zu studieren, hatte die viel jüngere Frau, ich nenne sie hier Manuela K., erst einmal fallen gelassen. Nach mehr als zehnjähriger Ehe tauchte der Wunsch in ihr wieder auf: Sie wollte studieren und ihre eigenen Träume verwirklichen. Es
kam zu einer dicken Krise mit ihrem Mann, den ich hier Horst K. nenne. Für ihn stellten die Wünsche seiner Frau eine Bedrohung dar. Infolge ihrer Kämpfe war sie bereits ausgezogen und hatte die Kinder mitgenommen.
In den Gesprächen, die ich mit dem Paar und mit beiden einzeln führte, wurde schnell deutlich, wie sehr sie beide diesen Konflikt und damit auch den Kampf brauchten, um sich weiterzuentwickeln. Frei sein, stark werden und sich gegenseitig Freiheit erlauben war ein großes gemeinsames Entwicklungsthema. Manuela brauchte den Kampf mit Horst, um unabhängiger zu werden und ihren eigenen Weg zu gehen. Horst repräsentierte mit seinen Forderungen eine Figur, die sie auch in sich selbst trug, die sagte: Es ist unverantwortlich zu tun, was du für richtig hältst. Du darfst nicht nur an dich selbst denken. Und so weiter. Diese Stimme in ihr war alt und erinnerte sie an den Vater, der ihre Wünsche nicht ernst genommen hatte. Es gab einen tiefen Wunsch in ihr, stark zu werden, und sich gegen diese innere und äußere Stimme zu wehren. Erst in der Trennungskrise bekam sie den Mut, Nein zu sagen.
Manuela war in ihrer Abwehr aber auch die Verbündete von Horst. Er brauchte sie, um seine Angst und seine Schwäche kennenzulernen und zu überwinden. Das war ein Prozessschritt, auf den er gerne verzichtet hätte. Aber auch in ihm muss es einen starken Wunsch geben, eine neue Unabhängigkeit und Stärke zu
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