Hinter Jedem Konflikt Steckt Ein Traum, Der Sich Entfalten Will
und andere Bedürfnisse haben. Und trotzdem, wenn ich das Privileg habe, mir diese Frage zu stellen, wer bin ich dann, wenn ich meine Fähigkeiten
und Möglichkeiten nicht entwickle und in die Welt gebe? In meinen Beratungen und Seminaren zum Thema »Herzenswünsche« habe ich viele Menschen kennengelernt, denen sich das Thema der Lebensaufgabe drängend und schmerzhaft stellte. Wahrscheinlich träumen wir mit vielen anderen Menschen überall in der Welt den gleichen Traum, unsere Größe, unsere Kultur, unsere Kreativität und unsere Fähigkeiten der Welt zu schenken.
Es gibt einen tiefen Wunsch, die eigenen Fähigkeiten, die eigene Größe und Kreativität der Welt zu schenken.
Es ist wahrscheinlich eine Aufgabe, die größer ist als wir selbst, an unseren Grenzen und Begrenztheiten zu arbeiten und in vielen Rollen unsere Frau und unseren Mann in dieser Welt zu stehen.
Aus Vorwürfen lernen
Wenn wir davon ausgehen, dass die Rollen, aus denen wir agieren, so bedeutsam und wichtig sind und eine essentielle Botschaft haben, dann verstehen wir auch, wie schmerzhaft es sein kann, wenn wir kritisiert und mit einem Vorwurf konfrontiert werden. Die Person, die den Vorwurf macht, ist dann vielleicht überrascht, was sie ausgelöst hat und wirft uns kindisches Verhalten vor und dass wir eine zu niedrige Frustrationstoleranz haben. Wahrscheinlich stimmt das sogar, aber dann wird es ebenso für das vorgeworfene Verhalten wie auch für die mangelnde Frustrationstoleranz dennoch einen guten Grund geben.
Lehnen wir einen Vorwurf oder eine Kritik einfach nur ab und versuchen uns reinzuwaschen (nach dem Motto: Das war doch ganz anders etc.), dann stellen wir uns klammheimlich und ohne es selbst zu merken auf die Seite des Kritikers und finden auch, dass wir so nicht sein sollten und sind doppelt geprellt; die Rolle im Hintergrund wird noch böser und wilder und die Atmosphäre nachhaltig mit Doppelsignalen verdüstern.
Fallbeispiel
Ich möchte kurz von Annemarie L. erzählen, die ich in einem Teamtraining kennenlernte. Wir sprachen über den Umgang mit Kritik und Vorwürfen und wie wir etwas sehr Wesentliches für uns herausfinden, wenn wir sie nicht gleich ablehnen. Trotz meiner begeisterten Rede über ein unangenehmes Thema war die Gruppe anfänglich nicht bereit, mit mir daran zu arbeiten. Vorwürfe haben immer mit Kritik zu tun und können Konfliktauslöser sein,
die Angst vor gegenseitiger Verletzung war zu groß. Gleichzeitig wollten sie unbedingt an richtigen und echten Problemen arbeiten. Erst nach einer bedrückenden Diskussion machten sie schließlich in kleinen Gruppen eine kurze Übung, die ich am Ende dieses Kapitels als innere Arbeit mit uns verletzenden Vorwürfen vorstellen möchte. Ich habe sie in einem Seminar bei Max Schupbach kennengelernt.
Eine mutige Kollegin erklärte sich bereit, Annemarie L. eine kritische Frage zu stellen bzw. sie mit einem Änderungswunsch zu konfrontieren: »Es fällt mir auf, dass du fast jeden Morgen fünf bis zehn Minuten zu spät kommst, und das stört mich und einige andere Kollegen sehr«, sagte sie vorsichtig. »Allerdings kann ich auch beobachten, dass du dann den ganzen Tag ohne Pause ackerst, und dann tut es mir leid, dass mich dein Zuspätkommen stört.«
Die Gruppe begann nun mit Annemarie L. herauszufinden, wozu dieses Zuspätkommen gut sein könnte. Was könnte die Essenz dieses Verhaltens sein? Annemarie L. dachte darüber nach und kam zu folgenden Ergebnissen: »Ich mache noch einmal eine kleine Verschnaufpause, bevor ich losgehe, ich trödele ein wenig, mache mir meine Gedanken und habe Zeit für mich.« Auf meine Nachfrage, ob sie trödeln, Zeit für sich haben oder Verschnaufpausen machen, vielleicht auch im Arbeitsalltag mehr brauchen könne, antwortete sie: »Das kann ich mir nicht erlauben, ich bin sehr gewissenhaft und würde das meinen Kollegen nicht zumuten.« Hier ist die Grenze und an der Grenze müsste sie einen Teil ihrer bewussten Identität, die mit Gewissenhaftigkeit und »Ich bin doch kein Kollegenschwein« zu tun hat, abgeben. Zu ihrem primären Prozess gehört es, viel zu arbeiten und sich keine Pausen zu gönnen. Ihr Zuspätkommen ist ein Doppelsignal und drückt ihren großen Wunsch aus, nicht nur zu ackern, sondern auch mal zu verschnaufen und es sich gut gehen zu lassen. Die Kollegen freuten sich mit Annemarie L. über das Ergebnis der Übung.
Wir können noch etwas lernen aus diesem kleinen Beispiel: Wenn wir zu schnell einhaken und uns
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