Hinter Jedem Konflikt Steckt Ein Traum, Der Sich Entfalten Will
stört, was ist die Essenz des Neins und wer alles könnte es brauchen, mehr Nein zu sagen?
Apropos Nein. Während ich dies schreibe, flattert eine E-Mail von einer jungen Frau herein, mit der ich vor einem halben Jahr während meiner Reise eine Systemaufstellung gemacht habe. Das Ergebnis unserer Arbeit war ein klares inneres und später in der Trennung vollzogenes Nein zu ihrem damaligen Partner, mit dem sie schon seit Jahren unglücklich war. Sie lernte schon kurz darauf einen »wunderbaren« Mann kennen, hat ihn gerade geheiratet und erwartet ein Kind von ihm.
E in klares Nein kann jahrelange traumatisierende Beziehungsprozesse im Privat- und Arbeitsleben beenden. Ein ehrliches Nein ist immer ein großes Ja für die eigene Seite. Das Selbstbewusstsein wird gestärkt und neue Möglichkeiten können sich auftun. Und gleichzeitig dürfen das Bedauern und die Trauer ihren Raum bekommen und ausgedrückt werden, wenn wir die andere Seite einnehmen.
Ein Gärtner erzählte mir einmal von seiner stillen Angst, die er in jedem Winter und Frühjahr habe, dass die Saat nicht aufgehen und es im Sommer kein Wachstum mehr geben könnte. Aber die Saat ist noch immer aufgegangen und der Sommer immer gekommen. So kann es uns in Zeiten nach Konflikten vorkommen, als könne aus dem Nichts auch nichts Neues entstehen. Wir haben Nein gesagt und ein neues Ja, die neue Liebe, die bessere Arbeit sind noch nicht da. Das macht
Angst: Oh weh, wenn der Sommer und die schönen Zeiten nun nie mehr kommen. Manchmal können Poeten diese Prozesse wunderschön beschreiben und ich möchte kurz aus den Briefen an einen jungen Dichter von Rainer Maria Rilke zitieren. Es mag in solchen Winterzeiten darum gehen, zu »reifen wie der Baum, der seine Säfte nicht drängt und getrost in den Stürmen des Frühlings steht, ohne Angst, dass dahinter kein Sommer kommen könnte. Er kommt doch!«
Ein klares eigenes Nein oder die Akzeptanz eines Neins von der anderen Seite holt Sie aus der Opferrolle heraus und macht Sie zur Mitbestimmerin über Ihr Leben. Das ist Balsam für die Seele und stärkt das Selbstbewusstsein und das tiefe Wissen, dass Sie einen großen Teil Ihres Glücks selbst schmieden.
Aus der Gegnerschaft heraustreten
In Liebesbeziehungen, Familien und in der Zusammenarbeit versuchen Menschen oft jahrelang, andere auf ihre Seite zu ziehen, und merken dabei nicht, dass sie nicht einmal selbst auf der eigenen Seite gut stehen. Menschen ändern sich in der Regel nicht, weil andere das wollen oder einfordern. Es braucht immer die eigene Motivation. Wir haben auch die Möglichkeit, den anderen als Restriktion, als unbeweglichen Berg anzusehen. Mit Bergen kann alles Mögliche passieren, aber in der Regel werden sie nicht durch Pusten und gute Zurufe abgetragen, dann doch eher von der Natur oder von schwerem Gerät. Eine neue Haltung einnehmen, der Klügere sein oder die Klügere und beispielsweise nachgeben und Mitgefühl haben für den Menschen, der sich (noch) nicht ändert oder sich für uns nicht ändern mag, kann zwischenmenschliche Natur- und Wetterumstände nachhaltig verändern. Diese neue Atmosphäre entwickelt schon eher die Kraft, die mit ein wenig Geduld und Vertrauen auch Berge abträgt und Eisblöcke zum Schmelzen bringt. Die Wirks und Passierchen aus der Traumwelt verbünden und entfalten sich.
E s mag paradox erscheinen: Menschen treten aus der Gegnerschaft aus, wenn sie sich deutlich auf die eigene Seite stellen und sich fragen: Was will ich und was ist richtig für mich? Dann brauchen sie nicht länger die Zustimmung der anderen. Wenn wir noch kämpfen, brauchen wir unsere Gegnerinnen und Verbündete noch, um stark zu werden
für das Stehen auf der eigenen Seite. Wenn Sie gut auf der eigenen Seite stehen, muss der andere sich nicht länger verändern und dann können Sie auch die Seite wechseln und Mitgefühl zeigen, ohne dass unberücksichtigte Teile in Ihnen böse werden.
Das könnte sich dann so anhören: »Das ist nicht einfach für mich, dass es dir nicht gut geht mit meiner Entscheidung« – und dann der Seitenwechsel: »Aber ich werde tun, was ich tun muss, und ich kann es auch nicht diskutieren, weil es wirklich meine Sache ist« – und dann wieder ein Seitenwechsel: »Es tut mir dennoch leid, dass du mich nicht verstehen kannst.« Und so weiter.
Es ist paradox: Wenn wir uns auf die eigene Seite stellen, treten wir aus der Gegnerschaft heraus.
Das ist kein Leitfaden für alle Fälle und keine leichte
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