Hinter verschlossenen Türen
Sie so schnell wie möglich, um Gottes willen! Ich muß mit Ihnen reden.
Hatte er es gehört? Würde er antworten? Die Spannung war entsetzlich. Aber schon im nächsten Augenblick ward ein leichter Tritt vernehmbar, der Schlüssel drehte sich im Schloß, der Riegel ward zurückgeschoben, und die Tür ging auf.
Was gibt es? Wer ist der Mann und –
Still! Es ist ein Geheimpolizist. Sie haben im Schlaf gesprochen. Er muß wissen, daß Sie hier sind. Kommen Sie schnell heraus, steigen Sie die Leiter hinunter und verbergen Sie sich in einer dunkeln Ecke, bis Sie Gelegenheit finden, hinauszuschlüpfen.
Ich weiß ein besseres Mittel, zu entkommen. Halten Sie ihn bis sechs Uhr morgens von meinem Zimmer fern; dann mag er hineingehen. Er wird mich nicht finden.
Aber wie –
Fragen Sie nicht. Lassen Sie ihn eintreten, aber nicht lange verweilen. Um sechs Uhr oder später, keine Minutefrüher. Noch ein Lebewohl murmelnd, schloß Molesworth die Türe, schob den Riegel vor, und alles war wieder still. Kameron vernahm nichts als das laute Pochen seines eigenen Herzens.
Was kann er meinen? Wie will er entfliehen? waren die Fragen, die vor seinem Geiste aufstiegen. Wir sind im zweiten Stock, sein Zimmer geht auf den Fluß, wenn ich nicht irre. Der ist so wild und reißend, es wäre Wahnsinn, sich in die brausende Flut hinauszuwagen.
Jetzt hörte er Q. zurückkehren und schlich leise wieder auf sein Lager, von wo er mit weit offenen Augen nach dem eintretenden Detektiv blickte, der ein großes Tierfell hinter sich herzog, das er unten von der Wand genommen.
Wenn man eine solche Bettdecke haben kann, wird man doch nicht unnützerweise zu Tode frieren wollen, lachte er. Bedaure, Sie gestört zu haben; hätte Ihnen auch eins mitbringen sollen. Ich kann noch ein solches holen, wie meins, wenn Sie wünschen – ein ganz prachtvolles Fell.
Aber der Doktor lehnte dankend ab; ihm genügte der zweite Ueberzieher, um sich zuzudecken. So lag denn der Geheimpolizist bald wieder in seiner Nische, und Kameron beobachtete ihn, solange das Licht brannte, dann horchte er in der Finsternis auf seine Atemzüge. Draußen tobte der Sturm noch immer, und wenn er einmal eine Weile schwieg, so war es nur, um sich mit einer Wut wieder zu erheben, vor welcher das Haus in allen Fugen zitterte und die Herzen derer erbebten, die sich darin geborgen hatten.
Dreiunddreißig st es Kapitel.
Es war noch dunkel, als Q. das Tierfell, in das er sich eingewickelt hatte, von sich warf und leise aufstand. Geschickt und schnell legte er im Kamin das Holz zurecht, um einFeuer zu entzünden, dessen behagliche Wärme sich bald im ganzen Zimmer verbreitete. Kameron, der aus den verhüllenden Falten des Mantels verstohlen nach ihm hinblickte, sah ihn ans Fenster treten und nach dem Wetter ausspähen. Während Q. ihm den Rücken zudrehte, zog er seine Uhr heraus: es war halb sechs.
Kopfschüttelnd näherte sich jetzt Q. der Türe, öffnete sie und stand einen Moment wie unschlüssig auf der Schwelle; doch kam er wieder zurück und begann die Schubladen zu durchsuchen, bis er gefunden hatte, was er brauchte, um eine Art Morgenimbiß zu bereiten. Kameron verwandte kein Auge von ihm, und erst als Q. anfing, gleich einem erfahrenen Koch am Herde zu hantieren und Mehl in einem Topf mit siedendem Wasser zu quirlen, fühlte er sich einigermaßen beruhigt. Durch eine unvorsichtige Bewegung seinerseits zog er jedoch des Detektivs Aufmerksamkeit auf sich. Dieser stellte sofort das Kochgeschirr hin und wandte sich mit aufgeregter Miene an seinen Gefährten.
Schön, daß Sie wach sind, Herr; ich habe Ihnen etwas mitzuteilen. Für wen halten Sie wohl Ihren Freund hier im Nebenzimmer?
Kameron fuhr empor, eine derartige Frage kam ihm nicht gerade unerwartet.
Es ist Molesworth, fuhr jener fort, dessen Fährte wir beide verfolgen. Sein Eisenbahnzug muß wohl vor unserem stecken geblieben sein, wie sollte er sonst hierher kommen? Wahrscheinlich waren Sie gestern zu aufgeregt, um ihn zu erkennen, oder er hatte irgendwelche Verkleidung angenommen. Aber, er muß doch wissen, wer Sie sind; war er denn gar nicht erstaunt über Ihren Anblick?
Der Doktor starrte den Sprecher mit weit geöffneten Augen an. Wie sollte er diesem schlauen Manne gegenüber seine Rolle als Molesworths hartnäckiger Verfolger weiterspielen? Er schien sich zu besinnen.
Sind Sie denn Ihrer Sache ganz gewiß? fragte er verwirrt und unentschlossen.
Freilich, er hat heute nacht böse Träume gehabt, wahrscheinlich
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