Hinter verschlossenen Türen
fürchtete.
Hollah, nur noch einen Schub, dann wird's gehen, rief Q. dem Manne unten zu, auf dessen Schultern er zu stehen schien. So, nun reichen Sie mir Ihre Hand herunter, bester Herr, und ich bin an Bord.
So große Lust auch Kameron verspürte, den Menschen wieder durch das Loch zurückzustoßen, statt ihm heraufzuhelfen, er wagte nicht, ihm den begehrten Beistand zu verweigern. Q. kletterte vollends durch die Oeffnung der Falltüre hindurch und stand im nächsten Augenblick an des Doktors Seite.
Sie sehen, ich hatte Lunte gerochen, rief er, mit scharfem Blick umherspähend, und da die Männer unten mich als Kundschafter aussenden wollten, bin ich Ihrem Beispiel gefolgt. Aber wie sind Sie denn eigentlich ganz allein heraufgekommen, Sie können doch nicht geflogen sein? – Aha, ich sehe schon, lachte er, da liegt ja die Leiter; Sie haben sie heraufgezogen. Das sieht nicht gerade wie eine Einladung aus.
Kameron lachte mit, so wenig ihm danach zumute war. Glaubten Sie, ich sei willens, mir meine Nachtruhe von der Gesellschaft unten stören zu lassen? Die wäre mir höchlich im Wege, da nur einer hier bequeme Unterkunft finden kann.
Q. hatte indessen schon alle Schubladen aufgezogen, in alle Kisten und Kasten hineingeguckt. Sie verstehen sich gut auf Ihren Vorteil, das merke ich, sagte er, aber nun ich einmal hier bin, so gestatten Sie wohl, daß ich bleibe. Ich kann auf der Diele schlafen und werde Ihnen nicht lästig fallen, verlassen Sie sich darauf. Schnarchen tue ich auch nicht, sonst wäre ich ja zum Geheimpolizisten völlig untauglich.
Der Doktor sah ein, daß er gute Miene zum bösen Spiel machen müsse, haben Sie etwas zu essen gefunden? fragte er.
Damit sieht's windig aus, war die Antwort, nichts zu brocken und zu beißen; einen Topf Essiggurken, ein Säckchen mit Mehl und weiße Bohnen, weder Brot noch Kartoffeln – so ein elendes Hungernest ist mir noch nicht vorgekommen.
An die Falltüre tretend, rief er hinab:
Alles leer, auf Ehrenwort, wie gefegt! Morgen können wir Bohnen kochen, davon gibt's noch einen Scheffel voll.
Die wenig verbindlichen Antworten, die zurückschallten, machten ihn nicht ärgerlich; er fand auf jede eine launige Erwiderung und wußte auch dem Widerspruch, der sich bei der Ankündigung erhob, daß er zu bleiben gedenke, wo er sei, durch Witze und Scherzworte zu begegnen.
So verstummten denn allmählich die scheltenden Stimmen unten und niemand hinderte ihn mehr an der Ausführung seiner etwaigen Plane.
In Molesworths Zimmer blieb indessen alles totenstill, aber Kameron stellte sich die peinliche Lage des Flüchtlings lebhaft vor; vielleicht stand er jetzt lauschend in der Dunkelheit, bemüht, sich Gewißheit zu verschaffen, wer der neue Ankömmling sei; ob er von ihm für seine Person Gefahr zu fürchten habe; ob sein Schlupfwinkel entdeckt sei. Lange konnte es auch gewiß nicht dauern, bis sich die Aufmerksamkeitdes unruhigen Kameraden der verschlossenen Türe zuwandte.
Diese Besorgnis erwies sich als nur zu Wohl begründet. Q. warf dem Doktor einen fragenden Blick zu. Der andere steckt gewiß da drinnen, bemerkte er, der muß auch ein Pfiffikus sein, wie Sie.
Ich weiß nicht, entgegnete Kameron, aber da er nicht hier ist, wird er wohl dort sein; hoffentlich friert er nicht so, wie wir.
Da will ich doch gleich ein Feuer anzünden, rief jener lebhaft und machte sich sofort ans Werk. Die Beschäftigung beruhigte einstweilen seinen Forschungstrieb, den Kameron so sehr fürchtete. Das Feuer kam erst nach vieler Mühe zustande, als die Nacht bereits weit vorgerückt war.
Kameron lag auf dem Sofa am Kamin; er horchte auf den draußen tobenden Sturm und auf jeden Laut, der aus dem Nebenzimmer herüberdringen konnte; dabei beobachtete er unablässig das Gesicht des nicht weit von ihm ruhenden Q., der sein Lager dicht an Molesworths Zimmerwand bereitet hatte, welche nur aus Brettern bestand. Lange, unheimliche Schatten dehnten sich auf Fußboden und Decke, und jedesmal, wenn sich der Doktor vornüber beugte, um Holz auf das Feuer zu legen, schien es, als ob ein drohender Riesenarm auf ihn herab fahre, um nach ihm zu greifen.
Mitternacht war längst vorüber; von Zeit zu Zeit schwieg der Sturm, um sich dann wieder mit doppelter Gewalt zu erheben. In einer solchen Pause schrak der Doktor plötzlich beim Ton einer Stimme zusammen, die in hastigen, abgebrochenen Lauten an sein Ohr schlug; woher dieselben kamen, ward ihm erst allmählich klar:
»Der Vorsaal ist ganz hell.
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