Hinter verschlossenen Türen
Hausmeisters, der sie mit so freudigem Willkomm begrüßte, als erwarte man sie schon mit Ungeduld. Dies erhöhte noch das Geheimnisvolle der ganzen Lage. Nur mühsam brachte Kameron die Worte heraus: Wo ist Madame Gretorex? Ich muß sie sofort sprechen.
Die gnädige Frau sind noch bei der Toilette, war des Dieners Antwort, wünschen der Herr Doktor vielleicht unterdessen auf sein Zimmer zu gehen?
Gryce trat jetzt vor: Führen Sie uns unverzüglich zu Ihrer Herrin, sagte er, und bringen Sie ihr meine Karte, die Sache hat Eile.
Damit schritt er dem erstaunten Diener voran die Treppe hinauf, ohne sich an die Verwunderung zu kehren, welche seine wenig elegante Erscheinung unter den geputzten Leuten erregte, und unbekümmert, ob der Doktor ihm folge oder nicht.
Letzterem flüsterte der Diener im Hinaufgehen zu: Die gnädige Frau hat mir aufgetragen, Ihnen zu sagen, die Braut habe sich etwas verspätet, Sie möchten die Güte haben –
Ich kann nicht warten, unterbrach ihn Kameron, entrüstet über diesen Versuch, ihm den wahren Stand der Dinge zu verheimlichen. Bitten Sie Ihre Herrin, uns sofort vorzulassen, es ist von höchster Wichtigkeit.
Gryce kam dem Doktor im oberen Vorsaal entgegen. Dort das letzte Zimmer ist für Sie in Bereitschaft gesetzt, fügte er. Man will uns scheint's hintergehen. Es gehört wahrhaftig Mut dazu, die Sache soweit zu treiben. Wenn wir nicht Wichtigeres zu tun hätten, wäre ich wirklich neugierig darauf, wie sie alles drehen und wenden wollen undwelche Ausflüchte die Mutter ersonnen hat, um den Gästen und uns Sand in die Augen zu streuen.
Daran ist jetzt nicht mehr zu denken, entgegnete der Doktor bestimmt, die Wahrheit muß ans Licht.
Gryce aber schüttelte den Kopf und versetzte, auf die Wanduhr deutend:
Wir haben noch eine Stunde vor uns. Ist die Mutter bereit, auf der Stelle mit uns zu gehen, so kann Herr Gretorex unterdessen der Versammlung drunten die Mitteilung machen, seine Tochter sei plötzlich von einer so heftigen Krankheit befallen worden, daß ihre Hochzeit am heutigen Abend unmöglich stattfinden könne. Mag man ihm glauben oder nicht, jedenfalls wird das Gerede, welches entsteht, Ihnen keinen Schaden tun. Morgen läßt sich dann der Geschichte eine Wendung geben, wie sie am besten zu dem Stand der Dinge paßt.
Ehe der Doktor noch antworten konnte, vernahm man ein Rauschen von Gewändern. In prachtvollem Samtkleid trat Frau Gretorex über die Schwelle und stand in würdevoller Haltung vor ihnen.
Wie festgewurzelt verharrten die Männer einen Augenblick an ihrem Platze und vermochten kaum die nötige Fassung zu erringen. Aus der Miene der Dame sprach weder Scham noch Verwirrung, sondern nur vornehme Zurückhaltung und stolze Höflichkeit.
Sie haben mich sprechen wollen, sagte sie zu Kameron gewandt, den Detektiv gänzlich übersehend. Meine Tochter wird gleich fertig angekleidet sein, bitte, gedulden Sie sich noch einen Augenblick; es ist gerade acht Uhr, entschuldigen Sie die kleine Verzögerung.
Ihre Tochter? stieß der Bräutigam in atemloser Hast hervor, ist sie denn hier?
Gewiß, Herr Doktor, erwiderte die Mutter mit demschneidenden Ton verletzten Stolzes, meine Tochter ist hier; wo anders sollte sie denn sein an ihrem Hochzeitsabend? Bei diesen Worten warf sie einen vernichtenden Blick auf den Detektiv, der jedoch viel zu sehr in Staunen versunken war, um darauf zu achten.
Hier? wiederholte Kameron, den so viel Kühnheit vollständig verwirrte. Entschuldigen Sie, aber ich dachte –Sie lächelte verbindlich:
Soll ich meiner Tochter mitteilen, daß der Bräutigam bereit ist, sie zu empfangen? fragte sie mit einem vielsagenden Blick auf den Anzug des Doktors.
Kameron starrte sie stumm und hilflos an, so daß der Detektiv sich berufen fühlte, dazwischenzutreten.
Madame, sagte Gryce, Sie verzeihen, aber jeder Augenblick ist kostbar. Ich muß gerade herausreden. Ihre Tochter –
Aber Frau Gretorex war nicht gewillt, irgendwelche unberufene Einmischung zu dulden; zu dem Doktor gewandt fuhr sie fort: Meine Tochter wird Sie durch ihr Mädchen rufen lassen, sobald sie mit der Brauttoilette fertig ist. Brauchen Sie selbst vielleicht noch jemand, der Ihnen behilflich ist?
Kameron raffte sich mit Gewalt zusammen. Er ergriff die Hand der Name und sagte, sich höflich verneigend: Madame, wenn Sie auch einen Mann nicht beachten wollen, dessen Dienste Sie gebraucht haben, so werden Sie doch mir Gehör geben. Wenn Ihre Tochter sich hier im Hause befindet, so kann
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