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Hinter verschlossenen Türen

Titel: Hinter verschlossenen Türen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Kathrine Green
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erteilte.
    In einer halben Stunde, sagte sie, kann das Fehlende hier sein; das Orchester wird unterdessen spielen, um die Gäste zu unterhalten.
    Sie können ihnen der Wahrheit gemäß mitteilen, ich sei durch einen Eisenbahnunfall aufgehalten worden. Vertreiben Sie ihnen die Zeit so gut es geht, und mir gönnen Sie den Anblick meiner Braut, nach welchem ich schmachte, rief Kameron erfreut.
    Sie Ungeduldiger, versetzte die Mutter sichtlich erleichtert, ich will sehen, ob sich Ihr Verlangen erfüllen läßt.
    Bald darauf erschien ein zierliches Kammermädchen lächelnd an des Doktors Zimmertür.
    Das gnädige Fräulein ist fertig angekleidet, lispelte sie, und will den Herrn einen Augenblick sprechen, wenn er es wünscht. Sie deutete auf eine Tür am andern Ende des Vorsaals, und Kamerun folgte der Weisung. Ihm brannte das Herz, ob vor Liebe oder wiedererwachtem Stolz, er wußte es selbst nicht. Wenige Schritte, und er stand vor dem bezeichneten Gemach, dessen Tür nur angelehnt war. Als er die hohe, anmutige Gestalt von dem glänzenden Gewande, dem duftigen Schleier umflossen erblickte, da schlugen seine Pulse schneller, und es hätte des lieblichen Lächelns kaum bedurft, mit dem sie ihn begrüßte, um ihn in das höchste Entzücken zu versetzen.
    Ich habe Sie warten lassen, flüsterte sie, während er durch den Schleier hindurch ihr in die strahlenden Augenblickte und wie geblendet von ihrer Schönheit vor ihr stand. Jetzt bin ich fertig, aber Mama sagt, Sie seien es noch nicht. Sie böser Mann – bei Ihren Kranken in der Stadt herumzufahren, statt nur an Ihre Braut zu denken.
    Er lachte beglückt. Waren sie beide denn noch dieselben Menschen, wie eine Woche zuvor? Er murmelte ein zärtliches Schmeichelwort, das sie hold erröten machte, und war eben im Begriff, ihrem Winke zu folgen und sich zurückzuziehen. Da sah er plötzlich, wie ihr Blick erstarrte und ihre Züge einen Ausdruck des Schreckens annahmen. Unwillkürlich wandte er sich, um nach der Ursache dieser jähen Furcht zu forschen. Im Vorsaal war nichts zu sehen, ganz und gar nichts. Nur eine Person mit einer kleinen Handtasche am Arm, eine Putzmacherin oder dergleichen, stand in Mantel und Schleier wartend da, um eingelassen zu werden.
    Betroffen über die Leichtigkeit, mit welcher er heute aus einer Stimmung in die andere geriet, wollte sich Kameron eben wieder seiner Braut zuwenden, um sich von der Grundlosigkeit seiner Besorgnis zu überzeugen, als die Zimmertür, die bis dahin offengestanden, sich leise schloß. Er sah sich allein, mit einer neuen Furcht im Herzen, deren schriller Mißton wenig zu den festlichen Klängen des Hochzeitsmarsches stimmte, welche nun bald erschallen sollten.

Fünftes Kapitel.
    Das Haus Gretorex, noch im alten Stil erbaut, besaß unzählige Gänge, versteckte Winkel und Türen, war aber im übrigen für eine große, glänzende Festversammlung wie geschaffen. Hohe, weite Hallen und breite Treppen, eine lange Reihe kleiner und großer Zimmer und prächtige Säle boten Raum für Hunderte von Gästen.
    Die Gesellschaftsräume lagen alle im ersten Stock, und so kam es, daß Doktor Kameron nur auf der Treppe einige Bekannte begrüßt hatte, im obern Vorsaal aber und bei der Rückkehr in sein Zimmer sich ganz allein befand. Und doch wäre ihm ein befreundetes Antlitz, ein herzliches Wort jetzt so willkommen gewesen. Rastlos ging er wohl zwanzig Minuten lang in dem Gemach auf und ab; die erzwungene Einsamkeit bedrückte ihn; er wollte seinen Gedanken nicht nachhängen. Nun der Würfel gefallen war und seine Zukunft besiegelt, bereitete ihm jeder weitere Aufschub nur unnütze Qualen. Zu viele verschiedene Gemütsbewegungen waren schon auf ihn eingestürmt, er ertrug es nicht länger. Es drängte ihn, den entscheidenden Schritt zu tun, und sehnlich harrte er des Augenblicks, da er unter den Klängen der Musik seine Braut durch die versammelte Menge in den festlich erleuchteten Saal führen würde, um den Ehebund zu schließen. Dies Warten war aufreibend, war entsetzlich. Denn nicht nur peinigende Gedanken verfolgten ihn: ein inneres Gefühl, eine geheime Angst, die sich fast zur Gewißheit steigerte, sagte ihm, daß etwas Seltsames, Unheimliches vorgehe, in schreiendem Gegensatz zu dem Festgepränge dort unten. Diese Gefühle waren so stark und lebhaft und beherrschten ihn so vollständig, daß er sich ihrer nicht erwehren konnte, obgleich auch kein annähernd stichhaltiger Grund für dieselben vorlag. Wäre jene verschlossene

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