Hinter verschlossenen Türen
mit Festigkeit. Ich behandle gerade einen Fall – seine Stimme zitterte, er blickte wieder auf das Papier, welches er noch in der Hand hielt und nahm am Schreibtisch Platz. Unterbrechen Sie mich nicht, sagte er, die Feder ergreifend, ich habe einige wichtige Notizen zu machen. Leben oder Tod eines armen Weibes hängt davon ab.
Schreiben Sie, war die Antwort, ich bin kein Schwätzer.
Und Molesworth schrieb, ruhig, gedankenvoll, ganz in seinen Gegenstand vertieft, während der Beobachter, welchem nichts entging, kein Auge von den Arzneigläsern auf des Doktors Tisch verwandte. »Gift!« lautete die Aufschrift des einen.
Als Molesworth seine Aufzeichnung beendet hatte, erhob er sich mit der gleichen wunderbaren Ruhe, reichte Gryce das Papier und sagte:
Für Sie ist es vermutlich unverständlich, aber jeder Arzt kann es lesen. Bewahren Sie es auf, bis ich danach verlange.
Er schrieb nun noch einige Briefe, die er sämtlich dem Detektiv zur Durchsicht übergab, ehe er sie zusammenfaltete und adressierte. Als dies Geschäft besorgt war, nahm er wieder das Wort:
Jetzt bin ich bereit, Ihnen zu folgen. Es fragt sichnur, wohin Sie mich führen wollen. Sie sagen, ich sei des Mordes verdächtig. Um solche Anklage zu rechtfertigen, müssen wohl starke Gründe gegen mich vorliegen, stärkere als das neuliche Verhör ergeben hat, sonst wäre ich schon damals festgenommen worden. Ich will diese Gründe nicht näher untersuchen, aber, da ich die Tat nicht begangen habe, deren man mich zeiht, so weiß ich, Sie handeln nur auf einen Indizienbeweis hin. Ein solcher ist aber niemals untrüglich. Mir geschieht großes Unrecht, und für meine Kranken ist Ihr Verfahren geradezu ein Unglück, das sich nicht wieder gut machen läßt. Ich weiß, Sie haben in der Sache keine entscheidende Stimme, auch will ich mit Ihnen nicht über meine Schuld oder Unschuld streiten, sondern Sie nur um eine Gunst ersuchen, im Hinblick auf den unverdienten Schaden, den ich durch Sie erleiden muß. Ich bitte Sie, mir in Ihrem Beisein eine kurze Unterredung mit einem Manne zu gestatten, den ich durchaus sprechen muß.
Und wer wäre das? fragte der Detektiv.
Ein mir bekannter Arzt, Doktor Walter Kameron, wohnhaft in der Fünften Avenue Nummer –
Nichts auf der Welt hätte Gryce mehr überraschen können, als die Nennung dieses Namens. Warum, wußte er eigentlich selber nicht, denn auch Kameron hatte ja ihm gegenüber seine Bekanntschaft mit Molesworth erwähnt. Aber die ganze Angelegenheit schien ihm dadurch plötzlich in ein neues Licht gerückt zu sein.
Doktor Kameron ist verreist, entgegnete er; er ist von seiner Hochzeitsreise nach Washington noch nicht zurückgekehrt.
Ueber das ernste Gesicht des andern flog ein Schatten.
Ich muß ihn dennoch sehen, beharrte er. Bis jetzt haben Sie mir Ihren Haftbefehl noch nicht vorgezeigt. Nehmen Sie an, ich stände nur unter polizeilicher Aufsicht,und begleiten Sie mich nach Washington! Sie werden es nicht bereuen. Dann, als sehe er wohl ein, welches törichte Verlangen er gestellt habe, fügte er hinzu: Sie können nicht ohne die Erlaubnis Ihres Vorgesetzten handeln. Nun gut, so führen Sie mich zu ihm.
Das soll geschehen; aber sagen Sie mir, was Sie bei Doktor Kameron wollen.
Ein Hoffnungsstrahl brach aus Molesworths Augen und erhellte seine Züge.
Sie würden mich kaum verstehen, und doch – hat Sie wohl je ein ehrgeiziges Streben beseelt? fragte er plötzlich, das ältliche, fast wohlwollende Gesicht des Detektivs zweifelnd betrachtend.
Gryce lächelte.
Reden Sie, als wenn dem so wäre, entgegnete er.
So hören Sie: Nur noch die Hand brauche ich auszustrecken und das Ziel meines Ehrgeizes ist erreicht. Ich behandle einen schwierigen Fall, der in der medizinischen Welt Aufsehen erregt. Die Geschicklichkeit unserer berühmtesten Heilkundigen ist daran zu schanden geworden. Ich aber habe das wirksame Mittel entdeckt, die richtige Behandlungsweise herausgefunden. Auf dem Papier, das ich Ihnen gab, ist alles verzeichnet. Nun wissen Sie, was ich, von dieser Ueberzeugung erfüllt, mit Doktor Kameron, dem begabtesten und bedeutendsten unserer jungen Aerzte, zu besprechen habe, – was ich von ihm will.
Ich glaube Sie zu verstehen, erwiderte der Detektiv, aber bitte, erklären Sie sich deutlicher.
Nun denn: jenes arme Weib, von dem ich Ihnen sagte, soll ihr Leben nicht verlieren, noch die Wissenschaft die Aussicht auf eine wertvolle Entdeckung, weil ich der Freiheit beraubt bin. Bin ich selbst auch außer
Weitere Kostenlose Bücher