Hinter verschlossenen Türen
umgewandelt wiederzusehen. Die Huldigungen, mit denen man sie überschüttete, schienen sie zuerst völlig zu überraschen, doch sah man es dem lieblichen Lächeln, mit dem sie dieselben entgegennahm, dem anmutigen Neigen ihres Hauptes an, daß sie ihr wohlgefällig waren.
Ganz ungetrübt hatte jedoch das junge Paar diese Freuden und Triumphe nicht genossen. Zuweilen zeigte sich Genofeva zerstreut, voll wechselnder Stimmungen und unberechenbarer Einfälle. Sie fand oft den nächsten Bekannten gegenüber nicht die passenden Worte und führte ungereimte Reden, über welche die Hörer sich verwunderten. In ihrer Zerstreutheit hatte sie sich erst gestern der Wirtin des Hauses gegenüber eine Ungeschicklichkeit zu Schulden kommen lassen, die ihrem Gatten die größte Verlegenheit bereitete. Es hatte freilich seinerseits nur eines Wortes bedurft, um sie an ihre Pflicht zu mahnen, und der rührende Blick, mit dem sie ihn angeschaut, um zu sehen, ob er ihr auch nicht zürne, hatte ihn vollends entwaffnet.
Sie war wirklich eine rätselhafte, für ihn noch unergründete Natur. Manchmal schien die vornehme Erscheinung zu ihrem wenig gewandten, gesellschaftlichen Benehmen gar nicht passen zu wollen, aber ihre geistige Bedeutung sprach aus jedem Blick, jeder Miene und verlieh ihr einen stets neuen, unwiderstehlichen Reiz. Kameron hätte jene kleinenVerstöße gegen Brauch und Sitte, so überraschend sie ihm auch waren, kaum beachtet und sich vollkommen glücklich gepriesen, aber ein unbestimmtes Gefühl sagte ihm immer wieder, daß nicht alles in Ordnung sei, daß sein Paradies ein Geheimnis berge, welches er nicht ergründen dürfe, ohne seinen Seelenfrieden zu stören. Wagte er doch nicht einmal zu erforschen, ob die rätselhafte Krankheit, über die Genofeva klagte, die wahre Ursache jener wunderbaren Umwandlung ihres äußern Menschen sei, in die er sich noch kaum zu finden vermochte.
Eines sagte er sich stets zur Beruhigung: was sie vor ihm verhüllte, konnte nichts Unehrenhaftes sein. Wie hätte sie auch sonst ihren Blick so voll reiner Liebe und Hingebung zu ihm erheben können? War er nicht ein Tor mit seinen Zweifeln? Warum sich nicht an der schönen Gegenwart genügen lassen, ohne weiter über die Vergangenheit zu brüten. Er wollte sich daher sein junges Glück nicht länger verbittern, sondern es aus voller Seele genießen. Diesen Entschluß hatte er in Gedanken gefaßt, während er scheinbar heiter plaudernd neben seiner Gattin saß.
Ich kann es kaum mehr erwarten, rief er plötzlich aus, dich meinen Freunden zu zeigen. Wann wollen wir heimreisen?
Ueber ihr Gesicht flog ein Schatten. Oh, müssen wir denn zurückkehren? rief sie; ich wollte, wir könnten immer hier bleiben. Neuyork ist mir verhaßt, fügte sie, sein Erstaunen gewahrend, rasch hinzu, ich möchte es nie wiedersehen. Hier kann ich dich immer um mich haben, dort gehört mir nur ein kleiner Teil deiner Zeit.
Dies Geständnis beglückte ihn. Er schlang den Arm um sie und drückte einen zärtlichen Kuß auf ihre Lippen. Ein unbestimmtes Gefühl, als seien sie nicht allein, ließ ihn plötzlich aufblicken. In der Türe stand eine dunkle Gestalt.Wer ist da? rief er und sprang entrüstet auf. Die Gestalt trat näher; Kameron schaute in ein ihm bekanntes Gesicht, das an diesem Orte zu sehen er jedoch niemals erwartet hatte.
Während er erstaunt schwieg, nahm der Eindringling das Wort: Entschuldigen Sie, wir glaubten, dies sei ein Gesellschaftszimmer des Hotels.
Jetzt erst gewahrte Kameron noch eine zweite ihm unbekannte Person; doch schenkte er derselben weiter keine Beachtung, da Doktor Molesworth seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nahm.
Ich habe ein geschäftliches Anliegen an Sie, Doktor Kameron, sagte dieser, darf ich es vorbringen?
Ein Anliegen an mich?
An Sie, wiederholte Molesworth zerstreut. Sein Blick ruhte mit Staunen und Bewunderung auf Genofeva, wie dies jetzt bei jedem Fremden zu sein pflegte, der sie zum erstenmal sah.
Meine Frau, sagte Kameron kurz. Die Herren verbeugten sich bei der flüchtigen Vorstellung; die junge Frau erhob sich mit sichtbarem Unwillen und verneigte sich mit so kalter abweisender Miene, daß Molesworth zu Boden blickte und von diesem Moment an ihre Gegenwart völlig zu vergessen schien.
Nicht so sein Gefährte. War es ihre Schönheit, welche ihn fesselte oder die seltsame Veränderung ihres Aeußern – er wandte kein Auge von ihr ab und war ganz in ihren Anblick versunken. Dabei schien ihm jedoch nichts von
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