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Hinter verschlossenen Türen

Titel: Hinter verschlossenen Türen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Kathrine Green
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Haupt, das sich wie in Scham und Schmerz vor ihm zu beugen schien, war fast weiß, gleich dem einer Greisin, während es noch gestern die prächtigsten braunen Haarflechten geschmückt hatten. Jetzt nahm sie die Hände vom Gesicht und sah ihn mit wirren Blicken an.
    Genofeva, rief er, nur unsäglicher Seelenschmerz oder körperliche Pein können diese Wirkung hervorgebracht haben. Rede, liebes Herz, was fehlt dir? Ich will dich trösten und dir beistehen, welcher Art auch das Leiden sein mag, das dich drückt.
    Ein freudiges Lächeln flog über ihre Züge, dann brach sie in Tränen aus.
    Ja, ich habe gelitten, stöhnte sie, es war ein furchtbares Weh; kaum glaubte ich die entsetzlichen Stunden überleben zu können. Sie preßte die Hand auf die Brust, als sei dort der Sitz ihrer Qual. Ist das der »Herald«? stieß sie dann plötzlich in ganz verändertem Ton heraus und griff nach der Neuyorker Zeitung, die Kameron in der Hand hielt. Ich muß mich zerstreuen und den Schmerz vergessen, – laß sehen, vielleicht ist schon die Beschreibung unserer Hochzeit darin.
    Gezwungen auflachend eilte sie mit der Zeitung zum Fenster und überflog die Spalten, Kameron beobachtete sie mit steigender Sorge und verdüstertem Gemüt. War ihr flatterhaftes, aufgeregtes Wesen ein Zeichen von Geisteskrankheit? Barg die Zukunft Schrecknisse für ihn, die er jetzt nur dunkel ahnte? – Erschöpft und mutlos sank er in einen Stuhl. Da weckte ihn ein süßer Laut aus trübem Sinnen; sein Weib kniete vor ihm und schaute mit stillen, fast verklärten Blicken zu ihm auf.
    Habe ich dich durch mein sonderbares Benehmen erschreckt? murmelte sie. Es kommt daher, daß ich so von Herzen glücklich bin und doch solche Pein leide; aber auch das ist heute schon besser, nur die Hand schmerzt mich noch. Wieder fiel ihr Blick auf ihr lose herabhängendes weißes Haar – sie schauderte.
    Großer Gott, stöhnte sie, wie soll ich darüber Rechenschaft geben?
    Ihr jugendliches Antlitz, von den schneeigen Haarwellen umrahmt, sah so reizend aus, daß Kameron sich entzückt zu ihr niederbeugte und ihr einen Kuß auf die Stirn drückte.
    Dessen bedarf es nicht, rief er, sie liebevoll aufhebend und zum Spiegel führend, hier, sieh wie schön du bist.Beide sahen und staunten. War sie auch früher schon eine hohe, anmutige Erscheinung gewesen, so schien sich doch jetzt erst die Pracht ihrer Schönheit in vollem Glanz zu entfalten. Die zarte Hautfarbe, die dunkeln Augen, das weiße Haar – es war ein liebliches Bild, dessen Reiz selbst den flüchtigen Beschauer unwiderstehlich fesseln mußte. Die Gatten blickten einander an und lächelten beglückt.
    Weißt du, lieber Mann, rief Genofeva scherzend, ich werde meiner Mutter sagen, ich sei plötzlich so alt geworden, weil ich dir in grauen Haaren so gut gefalle.
    Du kannst ihr ja die Wahrheit sagen, entgegnete Kameron, sie muß, doch gewußt haben, wie krank du warst, wenn es auch mir verborgen blieb.
    Genofeva schüttelte den Kopf. Es wußte niemand darum, sagte sie; ich habe es still für mich ertragen und will das auch ferner tun.
    Wir werden das Uebel heilen; jetzt ist dein Arzt dein Gatte, der läßt sich nicht täuschen. Er begann nun, ihr Fragen über ihre Gesundheit vorzulegen, sie aber unterbrach ihn heiter:
    Der Schmerz ist jetzt vorbei, Walter, wir wollen glücklich sein und nicht mehr daran denken. Aber sprich, gefalle ich dir wirklich besser, wie ich bin? Wirst du nicht doch meine braunen Flechten vermissen, nachdem die erste Ueberraschung verflogen ist?
    Nie, rief er und schloß sie voll glühender Leidenschaft in die Arme. Genofeva, mein Weib, nicht Bewunderung der Schönheit allein, nein, heiße Liebe zu dir füllt meine Seele. Es ist vorbei mit kühler Ueberlegung, mit würdevoller Ruhe. Du bist mein ein und alles.
    Und bloß, weil mein weißes Haar dich begeistert? Ich will mir eine schöne Krone daraus flechten, lachte sie, sich ihm sanft entwindend und verschwand leichten Trittes in dem kleinen anstoßenden Gemach.
    Kameron wußte kaum, wie ihm geschah. Wo blieb der Vorsatz, den er als strenger Berufsmann gefaßt hatte, sich aller überschwenglichen Gefühle zu enthalten? Er war ja förmlich berauscht von Glück und Wonne.
    *
    In der Woche darauf erschienen sie zusammen in der Gesellschaft, überall von bewundernden Blicken gefolgt. Einer ihrer Neuyorker Bekannten, den sie zufällig trafen, hatte sein Staunen kaum zu bergen gewußt, die junge Frau nach der kurzen Verheiratung so verschönt und

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