Hinter verschlossenen Türen
in der Bundeshauptstadt verbrachte Genofeva in einem Freudenrausch, bei Tanz und Lustbarkeit.
Sie hatte ihr Hochzeitskleid an, das ihr vorzüglich stand. Als sie zufällig mit der Generalin F., einer freundlichen älteren Dame, im Ankleidezimmer zusammentraf, betrachtete diese ihr Kleid mit Wohlgefallen und rief: So reizend wie Sie, meine Liebe, versteht sich doch niemand zu kleiden; wirklich, außerordentlich geschmackvoll. Ich wüßte gern, bei welcher Schneiderin Sie Ihre Sachen arbeiten lassen; wollen Sie es mir nicht sagen?
Ein Rot des Unwillens flog über das Antlitz der jungen Frau. Die zudringliche Neugier der Frage schien sie zu verletzen; ihre Antwort war zwar höflich doch ausweichend: Sie sind sehr freundlich, mir Beifall zu spenden, lächelte sie, aber ich kann ein so wichtiges Geheimnis wirklich nicht verraten; ich habe Elfen und Feen in meinem Dienst, deren Wohnplatz niemand erfahren darf.
Der kleine an sich so unbedeutende Vorfall mochte Genofeva verstimmt haben. Nicht lange darauf äußerte sie den Wunsch, den Ball zu verlassen. – Am nächsten Morgen erfolgte die Abreise nach Neuyork. Sie hatten bereits die Hälfte der Fahrt hinter sich, als Frau Kameron, sich vorbeugend, ihres Mannes Arm berührte.
Walter, sage mir doch, flüsterte sie, was geschieht mit einem Menschen, der in solche Lage geraten ist wie jener Doktor – Doktor Molesworth, welcher gestern bei dir war; führt man ihn ins Gefängnis?
Kameron war erfreut über ihren Anteil an einem Ereignis, das ihn selbst in hohem Grade beschäftigte und erklärte ihr die Sachlage, so gut es die Umstände gestatten. Sie hörte ihm gelassen zu und bemerkte, als er geendet hatte, mit leisem Seufzer:
Er sah nicht aus als ob er schuldig wäre, meinst du nicht auch? Ich muß sagen, er tut mir leid. Damit sank sie ermüdet wieder in die Kissen zurück und erwähnte die Angelegenheit nicht weiter.
Die jungen Eheleute hätten am liebsten gleich ihre eigene Wohnung bezogen; diese war jedoch der verfrühten Heimkehr wegen noch nicht zu ihrem Empfang bereit. So führte denn Doktor Kameron nach ihrer Ankunft seine Gattin zuerst nach dem St. Nikolausplatz.
Noch am selben Tage, gegen 6 Uhr, sah sie sich in den Armen ihrer Mutter.
Welche Ueberraschung, liebes Kind, rief diese, ihr die Wange zum Kusse reichend, wie wird sich dein Vater freuen! Aber es war doch unrecht von dir, daß du die Zeit über kein Wort an uns geschrieben hast, und es ganz deinem Manne überließest, uns Nachricht zu geben. Du hast doch sonst nicht an Rheumatismus gelitten; ich denke, es war wohl mehr Bequemlichkeit oder ein Vorwand, um deines Mannes Güte auf die Probe zu stellen.
Frau Gretorex war in heiterster Stimmung, das frohe Ereignis hatte sie förmlich verjüngt. Jetzt trat sie einen Schritt zurück und betrachtete ihre Tochter mit einem Anflug von Neugier.
Nimm doch den Schleier ab, sagte sie, und komm ins Wohnzimmer; ich muß sehen, ob das, was der Doktor von der merkwürdigen Verwandlung deines Haares schreibt, wirklich wahr ist. In deinem Alter ist so etwas ja ganz unglaublich; du mußt recht unglückliche Flitterwochen verlebt haben.
Mit munterem zwanglosem Lachen, wie man es bei der feinen Weltdame sonst nicht gewohnt war, schritt sie dem jungen Paar voran, während Genofeva verstohlen einen scheuen Blick durch die weite Halle warf, bevor sie ihr folgte.
Erschrecken Sie nur nicht allzusehr! warnte DoktorKameron, während die Mutter den Schleier von ihrer Tochter Haupt löste. Der Anblick, der sich ihr bot, war bezaubernd.
Wie wunderschön, rief Frau Gretorex mit stolzer Freude, wahrlich, der Kunstgriff deiner Eitelkeit ist dir vortrefflich gelungen. Du wußtest, das würde dich unwiderstehlich machen. Ich bin entzückt, mein Kind; gleich muß ich deinen Vater rufen.
Sie eilte fort, und Genofeva sank in einen Stuhl, sichtlich erleichtert und nicht ohne ein Gefühl froher Genugtuung. Lächelnd blickte ihr Gatte auf sie nieder.
Der Abend verlief nicht ganz so angenehm, als man nach diesem erfreulichen Anfang hatte erwarten sollen. So befriedigt auch Frau Gretorex über die äußere Erscheinung ihrer Tochter war, an ihrem Wesen fand sie mancherlei auszusetzen. Genofeva war ihr zu schweigsam, und wenn sie sprach, ging sie nicht auf die Interessen der Mutter ein. Sie erkundigte sich weder nach häuslichen Angelegenheiten, noch nach einigen wichtigen Veränderungen in betreff der Dienerschaft, die inzwischen stattgefunden hatten. Auch ließ die Nachricht, daß Klara
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