Hinter verschlossenen Türen
der Unterredung der beiden Aerzte zu entgehen, obgleich er sich so viel wie möglich im Hintergrunde hielt.
Ich werde Sie nicht lange aufhalten, begann Molesworth, dem andern seine Karte überreichend. Wie wichtig das Geschäft ist, das mich herführt, mögen Sie aus demUmstand ersehen, daß ich die Reise nach Washington nur zu dem Zweck unternahm, es mit Ihnen zu besprechen.
Sagen Sie, um was es sich handelt, erwiderte jener, ihn höflich zum Sitzen einladend, während sich Genofeva mit stolzer Haltung in die Fensternische zurückzog.
Wenn Sie sich meiner nicht mehr von der Universitätsklinik her erinnern sollten, fuhr Molesworth fort, so wird Ihnen in letzter Zeit mein Name wieder ins Gedächtnis gerufen worden sein, als der des Hauptzeugen bei einer gerichtlichen Verhandlung, die allgemeines Aufsehen erregt hat.
Kamerons Züge nahmen einen gespannten Ausdruck an. Er war aus leicht begreiflichen Gründen dem Gang des Verhörs mit großem Interesse gefolgt, hatte jedoch vermieden, mit seiner Frau von der Sache zu reden.
Gewiß, entgegnete er, ich erinnere mich daran; ich habe den Bericht über den Tod Ihrer Braut mit aufrichtiger Teilnahme gelesen, denn –
Wie mit geheimer Anziehungskraft wurden seine Blicke, während er sprach, zu Molesworths bisher unbeachtetem Begleiter hinübergelenkt. Die Stimme versagte ihm und er geriet in seltsame Verwirrung. Trotz der geschickten Verkleidung glaubte er Gestalt und Züge als die jenes sonderbaren Menschen wiederzuerkennen, der ihn an dem denkwürdigen Abend seiner Hochzeit bewogen hatte, sich als heimlicher Späher bei Mildred Farley einzuschleichen. Jetzt hob der Mensch mit einem bedeutsamen Blick auf die junge Frau warnend den Finger in die Höhe.
Sie starb an dem nämlichen Abend, an welchem Ihre Trauung stattfand, vollendete Molesworth die unterbrochene Rede.
Kameron verbeugte sich stumm. Er wußte, was die Gebärde des Detektivs zu bedeuten hatte. Es würde für Genofeva höchst peinlich gewesen sein, wäre die wunderbare Aehnlichkeit zwischen ihr und der unglücklichenSelbstmörderin zur Sprache gekommen. Die Aehnlichkeit mußte wohl nicht mehr vorhanden sein, denn augenscheinlich war sie Molesworth gänzlich entgangen.
Dieser nahm jetzt wieder das Wort: Ich bin nicht in der Absicht gekommen, um mit Ihnen über Fräulein Farleys rätselhaften Tod zu sprechen. Wenn Sie die Verhandlungen gelesen haben, kennen Sie auch den Urteilsspruch und wissen, daß man meinen Angaben allgemein Glauben schenkte. Es wird Sie daher einigermaßen überraschen zu hören, daß die Polizeibehörde nachträglich für gut befunden hat, die Wahrheit meines Zeugnisses anzuzweifeln, mich zu verdächtigen und meine Freiheit zu bedrohen.
Nicht möglich, stammelte Kameron, in seiner Verwirrung unwillkürlich nach dem Fenster blickend, wo die regungslose Gestalt seiner Frau sich deutlich gegen den gelblichen Abendhimmel abhob.
Ich sage Ihnen das nicht, um Ihr Mitgefühl zu erwecken, fuhr jener ruhig und gemessen fort. Ich bin unschuldig, aber – der Ton seiner Stimme schwankte – das ändert nichts an der Tatsache, daß durch diesen Verdacht meine Berufstätigkeit zerstört, meine Lebensaussichten vernichtet sind. Ob ich vor Gericht gestellt werde oder nicht, jedenfalls leidet mein guter Ruf darunter, und meine Praxis wird sich schwerlich so bald von dem Schlag erholen. Nur Sie können das Unglück für mich erträglich machen – wenn Sie wollen.
Wie so, ich ?
Doktor Kameron schaute wieder nach seiner Frau hin, die unbeweglich am Fenster stand, scheinbar ohne auf das Gespräch der Männer zu achten, nur mit der Außenwelt beschäftigt. Mit ausgestreckten Armen hatte sie die Vorhänge an beiden Seiten erfaßt und schaute hochaufgerichtet zu dem dunkelnden Himmel empor. Wer ihr Antlitzgesehen hätte, wäre erschrocken über die Qual, die sich darauf ausprägte.
Molesworth fuhr mit unerschütterlicher Ruhe fort: Ihnen erscheint das rätselhaft, aber ich werde mich sofort erklären. Ich – er hielt einen Augenblick inne, wie um Atem zu schöpfen. Sagte nicht eben Ihre Frau etwas? fragte er plötzlich, ehrerbietig aufstehend, ich möchte der Dame nicht lästig fallen.
Kameron meinte ihn seufzen zu hören. Ich glaube nicht, entgegnete er stolz; sagen Sie, wie ich Ihnen helfen kann.
Jener verbeugte sich und nahm wieder Platz. Ich weiß, sprach er, Sie sind kühn und ehrgeizig; Sie würden bei einem schwierigen gefährlichen Krankheitsfall selbst vor ungewöhnlichen Mitteln nicht
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