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Hinter verschlossenen Türen

Titel: Hinter verschlossenen Türen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Kathrine Green
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Hinterpforte, die er unverschlossen fand. Er drückte auf die Klinke, die Tür sprang auf, und er sah sich in einem großen wohnlichen Zimmer. Kein Mensch war in dem Raum, aber der Tisch stand zur Mahlzeit bereit und den Töpfen auf dem Ofen entströmten würzige Düfte. Durch die halboffene Tür blickte er in ein zweites Wohnzimmer und drang entschlossen weiter vor. Doch auch dieses Gemach war leer und nirgends eine Spur des Mannes zu entdecken, den er so sicher hier zu finden gehofft hatte. In bitterer Enttäuschung starrte Kameron noch immer die Reihe steifer Familienbilder auf dem Kaminsims an, als er plötzlich einen Schritt vernahm; eine Tür ward schnell geöffnet und wieder geschlossen, dann schallten Männertritte draußen vor dem Hause, und gleich darauf vernahm erdas Rollen von Rädern, als mache sich jemand unberufenerweise mit seinem Gefährt zu schaffen.
    Trotz seiner Bestürzung behielt er noch Geistesgegenwart genug, um mit einem Satz im Hausflur zu sein und die Vordertür zu öffnen. Da gewahrte er Doktor Molesworth, der, den Hut in der Hand, eben in den Einspänner sprang.
    Um des Himmels willen, Molesworth! schrie der Doktor und streckte die Arme aus, als könne er dadurch den zum Aeußersten entschlossenen Menschen zurückhalten.
    Dieser aber winkte ihm nur mit der Hand, stülpte den Hut auf, griff nach den Zügeln, und fort rollte der Wagen.
    Wenn Sie ein Mann sind und kein Feigling, rief Kameron entrüstet, so werden Sie umkehren und mir Rede stehen! Aber der Hufschlag übertönte seine Worte.
    In tiefster Niedergeschlagenheit wankte er ins Haus zurück und ließ sich auf den ersten besten Sitz fallen.
    So war denn Julius Molesworth nicht nur ein Feigling, sondern ein Schurke, der selbst vor dem schändlichsten Streich nicht zurückbebte, um einer Begegnung auszuweichen, von welcher sein böses Gewissen ihm nichts gutes versprach. Kameron schäumte vor ohnmächtiger Wut und verwünschte die Torheit und Sorglosigkeit, mit der er sein Fuhrwerk im Bereich des Flüchtlings gelassen hatte. Wer hätte aber auch glauben sollen, daß der Mann, dem er vor kurzem noch einen so wichtigen Dienst geleistet, zu einem solchen Mittel greifen würde?

    Des Doktors üble Lage ward noch durch den Umstand verschlimmert, daß Molesworth nach einer der Stadt entgegengesetzten Richtung entflohen war. Er sah sich in einem fremden Hause und bei hereinbrechendem Sturm ohne die Möglichkeit, nach seinem früheren Quartier zurückzukehren oder die Verfolgung des Mannes fortzusetzen, der so feige die Flucht vor ihm ergriffen. Nun war es ja erwiesen,daß Molesworth noch weit mehr, als er geglaubt, an dem geheimnisvollen Vorgang beteiligt sein müsse, welcher nicht nur Kamerons eigene Ehre schädigte, sondern auch die seiner geliebten und schwer geprüften Gattin.
    Jetzt ließ sich hinter ihm eine schrille Stimme vom Eingang her vernehmen.
    Was in aller Welt soll denn das heißen?
    Der Doktor stand auf und sah sich einer starken, breitschulterigen Frau mittleren Alters, augenscheinlich der Herrin des Hauses, gegenüber.
    Kameron verbeugte sich.
    Sie sehen mich, sagte er, als höchst unfreiwilligen Eindringling in Ihrer Behausung. Ich kam hierher, um Ihren Kostherrn aufzusuchen, und er hat mir den Streich gespielt, mit meinem Einspänner auf- und davonzufahren, ohne sich nur einmal danach zu erkundigen, was mich zu ihm führt.
    Frau Hunter zeigte kein Mitgefühl für den Betrogenen. Ja, der ist schlau, gab sie zur Antwort, indem sie an eins der Seitenfenster trat und auf die Landstraße hinausblickte, den holen Sie nicht mehr ein.
    Warum nicht? Ich gehe sofort zur Stadt, um mir ein neues Fuhrwerk zu verschaffen.
    Weil ein Sturm im Anzug ist. Mit einem solchen Vorsprung ist an Einholen nicht zu denken.
    Kameron lachte. Sie reden, als wären wir im Januar oder befänden uns nicht weit vom Nordpol, anstatt kaum hundert Meilen von Neuyork. Um diese Jahreszeit mag der Wind wohl blasen und die Flocken fliegen, aber die Wege werden doch nicht mehr vom aufgetürmtem Schnee versperrt.
    Was wißt denn Ihr Städter von unserm Wetter auf dem Lande! Mich müßte alles trügen, oder wir bekommen einen Sturm wie seit Jahren nicht. Ich weiß, was so einbleierner Himmel zu bedeuten hat, und Sie werden es auch erfahren, ehe Sie vierundzwanzig Stunden älter sind.
    Während sie sprach, ließ Kameron seine Blicke über die Landschaft schweifen, aber sie blieben unwillkürlich auf einem Einspänner haften, der den Hügel herab auf das Haus

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