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Hinter verschlossenen Türen

Titel: Hinter verschlossenen Türen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Kathrine Green
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Ruhe. Der Gedanke quälte ihn, ob es auch wirklich klug gehandelt sei, wenn er hier bliebe. Molesworth, der ihm heute schon einmal einen so empfindlichen Streich gespielt hatte, war wohl imstande, einen zweiten ähnlichen auszuführen. Hatte er vielleicht das Gefährt nur darum zurückgelassen, um ihn zu täuschen?
    Diese Zweifel ließen dem Doktor keine Ruhe mehr, und so trat er vor das Haus, um nach dem Wetter zu sehen. Der Regen rauschte herab, der Wind heulte, und das arme Pferd stand noch immer zitternd vor Kälte und Nässe da.
    Plötzlich kam ihm ein Einfall: wie, wenn er geschwindnach Harley zurückführe? Auf direktem Wege war die Entfernung dorthin nicht groß, und er konnte dann ganz gut in Harley in denselben Zug steigen. Nebenbei erhielt der Eigentümer sein Gespann wieder, und er konnte die Reisetasche, die er im Gasthof in Harley zurückgelassen, abholen. Und was noch wichtiger erschien: durch seine Entfernung würde der Argwohn des Verfolgten eingeschläfert, falls dieser den Wirt bestochen hatte, um rechtzeitig vor jeder drohenden Gefahr gewarnt zu werden.
    Entschlossen, diesen Plan auszuführen, machte Kameron sein Eigentumsrecht auf das draußen stehende Fuhrwerk geltend, und da keine Einsprache erhoben wurde, schickte er sich sofort zur Abfahrt an.
    Der Wagen war schon im Gang, als der Hausierer mit überraschter Miene auf der Schwelle erschien und ihm nachrief: »Sie kommen doch wieder, Herr!« Allein der Doktor hatte den Zuruf überhört oder wollte nichts erwidern.
    Unterwegs dachte er über seine glückliche Idee weiter nach, und er sah schon im Geiste, wie Molesworth, nichts ahnend, beim Eintreffen des Zuges auf dem Perron stand, auf den Wagen zuschritt, und er ihn am Einsteigen hindern würde.
    Man denke sich seinen Verdruß und Schrecken, als er in Harley erfuhr, daß ausnahmsweise gerade dieser Zug auf dieser Station nicht anhalte, woran er zuvor gar nicht gedacht hatte. Es blieb ihm nichts übrig, als abermals ein Gefährt zu mieten und schleunigst wieder hinüberzufahren. Allein seit seiner Abfahrt aus Sinton hatte sich das Unwetter fortwährend verschlimmert, und der Zustand der Landstraße wurde immer mißlicher. Weder der Fuhrherr wollte eines seiner Pferde zu der Fahrt hergeben, noch fand sich sonst ein Kutscher, der selbst für hohen Preis das Wagnis unternommen hätte. Also im Stich gelassen, mußte er sich der Macht der Umstände fügen undnach dem Gasthaus zurückkehren, wo er die letzte Nacht zugebracht hatte.
    Er wäre über seine Niederlage untröstlich gewesen, hätte er nicht zu seiner Beruhigung auf der Station vernommen, daß der Nachtzug infolge von Schneewehen mit bedeutender Verspätung, von mehreren Stunden, signalisiert sei. Wahrscheinlich kam derselbe nicht lange vor Tagesanbruch durch, so daß er nur einen kurzen Vorsprung vor dem Expreßzug voraus hatte, der Harley um 7 Uhr vormittags verließ.

Neunundzwanzigstes Kapitel.
    Es war eine qualvolle Nacht für den schlaflosen Mann. Der Wind fuhr wie rasend um das Haus herum, das in seinen Grundfesten erbebte; die Gipfel der Bäume bogen sich krachend über das Dach, das hin- und herzuschwanken schien, als wolle es der Sturm aus allen Fugen reißen. Stand Kameron auf und trat ans Fenster, so erblickte er nichts als das wilde Gewirr der durch die Luft kreisenden dichten Schneemassen; legte er sich nieder, um Ruhe zu finden, so tönte ihm ein Aechzen, ein Lärmen und Toben in den Ohren, als sei die ganze Hölle losgelassen.
    Der Anblick, der sich Kameron beim Morgengrauen bot, würde den Mutigsten erschreckt haben. Die Gegend war nicht wieder zu erkennen; alles lag unter dem Schnee begraben, der sich an vielen Stellen bergehoch auftürmte. Auch hatte der Sturm noch keineswegs nachgelassen, im Gegenteil, es war, als strebe er seine Wut zu verdoppeln, um das Schneegestöber in immer tolleren Wirbeln vor sich her zu treiben.
    Der für den Monat März so ungewöhnlich furchtbare Wintersturm schien Kameron die letzte Aussicht rauben zu wollen, Molesworth noch einzuholen, zumal derselbe schonum einen Zug voraus war. Der Gedanke brachte ihn außer sich, seine ganze Tatkraft erwachte, und dem Unwetter zum Trotz kämpfte er sich glücklich bis zum Bahnhof durch. Hier erfuhr er, der Nachtzug sei erst um sechs Uhr morgens durchgekommen und telegraphierte sofort nach Sinton, ob der Herr, dessen Beschreibung er beifügte, nach Neuyork abgefahren wäre. Die Rückantwort lautete bejahend, und unbekümmert um alle drohenden

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