Hinter verschlossenen Türen
Geheimpolizisten spielt, sagte er sich, darf sich in keiner Beziehung auffällig machen; je unscheinbarer, desto besser. Meine Figur ist ein Nachteil für mich; ich wollte ich sähe aus wie der arme Teufel da hinter mir, dessen Gesicht man im nächsten Augenblick wieder vergißt, nachdem man es gesehen hat.
Dabei blickte er fast mit Neid auf einen Burschen mittlerer Größe, der anscheinend ziel- und zwecklos von einem Ladenfenster zum andern schlenderte.
Kameron begab sich nun in den Gasthof, um in einer ruhigen Ecke seine nächsten Schritte zu überlegen. Bald nach ihm trat auch der Müßiggänger ein, den er vorhin auf der Straße um seine Physiognomie beneidet hatte, ohne indes weiter Notiz von ihm zu nehmen.
An wen sollte er sich wenden, um zu erfahren, ob ein Mann, dessen Beschreibung auf Molesworth paßte, kürzlich in dem Städtchen angekommen sei? – An den Gastwirt oder lieber an die Beamten der Eisenbahn und die Droschkenkutscher, welche die Fremden vom Bahnhof abholten? Dadurch wäre aber der Zweck seiner Anwesenheit offenbart und möglicherweise vereitelt worden. Hätte er sich doch von der Polizei an irgend jemand weisen lassen, der ihm Beistandleisten, ihm die betreffende Auskunft vermitteln könnte! – Endlich fiel ihm etwas ein, das ihn auf die Spur bringen konnte. Er sagte sich nämlich, daß Molesworth, mochte er stecken wo er wollte, das Verlangen haben werde, zu erfahren, ob die Polizei neue Entdeckungen in seiner Angelegenheit mache. Er mußte daher suchen, sich die Neuyorker Tagesnachrichten direkt oder indirekt zu verschaffen.
Kameron ließ sich durch den Gastwirt einen Zeitungsladen bezeichnen und dort erkundigte er sich, ob ein kürzlich angekommener Fremder ein Neuyorker Blatt bestellt habe. Das war nicht der Fall. Dann forschte er weiter, ob sonst ein Kunde vielleicht im Lauf der letzten Woche angefangen habe, den Herald oder die Neuyorker Times zu lesen. – Das wohl. Dem alten Jakob Lewis sei plötzlich eingefallen, den Herald zu studieren; er hole die Zeitung alle zwei Tage in dem Laden ab.
Kameron merkte sich den Namen und fragte beim Abendessen ganz beiläufig nach dem alten Mann. Er sei ein Pächter, hieß es, der mehrere Meilen außerhalb der Stadt wohne. Ein Wort gab das andere, und der Doktor erfuhr nicht nur, daß sich bei Jakob Lewis im Hause ein Fremder aufhalte, der nicht zu seiner Familie gehöre, sondern auch, daß der Pächter alle Sonntage nach der Stadt zur Kirche komme. War dies der Fall, so konnte sich Kameron füglich die vielleicht ganz vergebliche Fahrt nach dem entfernten Pachthof sparen. Er beschloß daher bis zum andern Tage zu warten und indessen unter der Hand weitere Nachforschungen anzustellen.
Nach Anbruch der Dunkelheit ging Kameron noch einmal aus, in der Absicht, da und dort, wo sich am besten Gelegenheit bot, dem Geplauder müßiger Leute zuzuhören. Es war ja immerhin möglich, daß er ein paar Worte aufschnappte, die zu seiner Orientierung dienen oder ihm sonst nützlich sein konnten.
Er war schon hier und dort gewesen, als er an einer offenen Schmiede vorbeikam, wo gerade der Meister zusammen mit seinem Gesellen, und wie es schien, einigen Bekannten und Nachbarn, plaudernd vor der Esse stand. Er trat näher heran und blieb im dunkeln Hintergrund stehen. Die Unterhaltung war die gewöhnliche: Stadtklatsch, Politik, Wetter, und ließ nicht im mindesten etwas von Interesse für unseren stummen Zuhörer erwarten. Er war schon im Begriff, seiner Wege zu gehen, als ein Mann humpelnden Ganges hereintrat und auf die Gruppe am Feuer zuschritt.
Behagliches Feuer hier – erlauben wohl, daß ich mir ein bißchen die Glieder wärme. So ein Hausierer, wie ich, kann's brauchen. Komme von der Umgegend herein.
Der Schmied ließ den Ankömmling, der alles in näselndem Tone sprach, gewähren, ohne sich in der Unterhaltung stören zu lassen.
Hm – fiel der Hausierer plötzlich dazwischen – wer ist denn der närrische Kauz, der bei Jakob Lewis wohnt?
Wieso? entgegnete einer der Umstehenden. – Bei Lewis wohnt meines Wissens nur John Staples. Ich kenne den seit Jahren; aber an dem ist weiter nichts Sonderbares; es ist eben ein kranker Mann.
Er meint gewiß den Fremden bei Hunters, ließ sich eine andere Stimme vernehmen. Der ist freilich sonderbar. Seit er angekommen ist, hat er sich noch kein einziges Mal auf der Straße blicken lassen, und er ist doch nicht krank.
Kann sein, gab der Hausierer zurück; ich komme an so viele Orte, da verwechsle ich
Weitere Kostenlose Bücher