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Hinter verschlossenen Türen

Titel: Hinter verschlossenen Türen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Kathrine Green
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vorsichtig um: Sie wissen also, wo er ist? Das ist schön. Hier ahnt es niemand; man will mir glauben machen, er sei wieder krank, und ich sage auch nichts dagegen. Er hat so viel für mich getan, da werde ich ihn doch nicht verraten, wenn ich auch nicht weiß, warum er fortgereist ist.
    Kameron war schlecht zumute; es kam ihm schändlich vor, der Frau das Geheimnis ihres Wohltäters zu entlocken.
    Er sagte, er müsse auf längere Zeit fort, um einen Kranken zu besuchen, ich solle die Arznei regelmäßig nehmenund alle seine Vorschriften genau befolgen; wenn ich dann wieder wohl sei und ausgehen könne, solle ich's ihn wissen lassen. Das will ich gerne tun, wenn ich nur lesen könnte, was er mir aufgeschrieben hat. Sagen Sie mir's doch, ob es Yonkers oder Orange heißt, ich kann's nicht herausbringen.
    Es ward dem Doktor schwer, seine natürliche Abneigung gegen List und Falschheit zu unterdrücken, doch sah er keinen andern Ausweg.
    Mir geht es leider ebenso, gute Frau, ich weiß auch nicht, ob es Yonkers oder Orange heißt. Er hätte wirklich deutlicher schreiben sollen. Zeigen Sie mir die Adresse, die er Ihnen gegeben hat, vielleicht kann ich sie entziffern.
    Zögernd fuhr sie mit der Hand unter das Kopfkissen. Er hat mir gerade in die Augen geschaut und gesagt, niemand dürfe es sehen, und wenn man den Zettel fände, solle ich nicht sagen, wer ihn geschrieben hat. Aber Sie kann er doch nicht gemeint haben – Sie sind ja sein Freund und auch ein guter Arzt wie er.
    Nein, ihn hatte Molesworth nicht gemeint – wie hätte er die Gründe ahnen können, die ihn zu seiner Verfolgung trieben? Kameron nahm der Kranken das Papier aus der Hand. Ein einziger Blick genügte ihm. Es heißt weder Yonkers noch Orange, sagte er zu der armen Brigitte, ihr den Zettel zurückgebend, sondern Harley. Hierauf untersuchte er ihren Zustand genau, überzeugte sich, daß ihre Besserung gute Fortschritte mache und die Heilung nahe bevorstehe, schärfte ihr nochmals alle Verhaltungsmaßregeln ein und verließ dann den Krankensaal mit dem Bewußtsein, daß kein Detektiv die Sache geschickter hätte anfangen können.
    Vom Hospital begab er sich zu dem Arzt, welchem er die Behandlung seiner Frau anvertraut hatte, traf die nötigen Verabredungen mit ihm und machte sich dann auf den Heimweg. Aber keine frohe Hoffnung beflügelte seinenSchritt, bange Furcht geleitete ihn – war doch die schlimmste Nachricht, welche ihn in seiner Behausung erwarten konnte, die, daß seine Frau zum Bewußtsein zurückgekehrt sei und sehnsüchtig nach seinem Anblick verlange.
    Diese Prüfung stand ihm aber noch nicht bevor. Genofevas Zustand war unverändert, und die neue Wärterin, die er, der Ankündigung des Inspektors gemäß, daheim vorfand, bedurfte keiner Erklärung, warum er dem Krankenzimmer fern blieb.
    So traf er denn seine Vorkehrungen zu dem abenteuerlichen Unternehmen und verließ das Haus, ohne zuvor die Schwelle zu übertreten, die vor kurzem noch für ihn die Pforte des Paradieses gewesen war.
Drittes Buch.

Siebenundzwanzigstes Kapitel.
    Die Adresse, welche Brigitte von Doktor Molesworth erhalten hatte, lautete:
    J. M.
Postlagernd
Harley N.Y.
    Der Ort ist, wie allgemein bekannt, in ziemlicher Entfernung von Neuyork an der Eisenbahn gelegen. Noch am selben Tage, einem Sonnabend, war Doktor Kameron vor einbrechender Nacht daselbst angelangt.
    Er begab sich unverzüglich auf das Postamt.
    Hat J. M. seine Briefe heute schon abgeholt? fragte er den Postmeister.
    J. M.? – Wer ist denn das?
    Es kommen Briefe unter dieser Adresse für ihn an; ich kenne ihn und muß ihn sprechen.
    Dann tun Sie am besten, ihn in seiner Wohnung aufzusuchen, hier ist er unbekannt.
    Kameron zog sich enttäuscht zurück. Zwar zögerte er noch einige Minuten, die Nähe des Postgebäudes zu verlassen,in der Hoffnung, Molesworth irgendwo auftauchen zu sehen; da aber seine hohe stattliche Gestalt nicht lange unbemerkt blieb, hielt er es für geratener, den Beobachtungsposten aufzugeben und vorerst einen Gang durch die Stadt zu machen. In den Straßen ließ er den Blick zu den Häusern emporschweifen, als ob er irgendwo den Mann, welchen er suchte, zu entdecken hoffte, bis ihm plötzlich einfiel, der Flüchtling könne ja möglicherweise in demselben Augenblick hinter einem der geschlossenen Fensterläden ihn selbst bemerken. Vielleicht hatte er sich durch die unbesonnene Schaustellung seiner Person bereits um die Hoffnung gebracht, seiner habhaft zu werden.
    Wer den

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