Hinter verzauberten Fenstern
Kamm hervor. »Ich werde mal eben meine Perücke kämmen«, sagte er und stülpte die Lockenpracht auf eins seiner spitzen Knie.
»Was ich dich auch noch fragen wollte«, sagte Julia, »wer war eigentlich der scheußliche, silberne Kerl gestern? Der König hat Leo zu ihm gesagt.«
»Ach, der!« Jakobus zog den Kamm durch die silbernen Locken. »Das ist Leopold. Fürst Leopold. Aber alle, außer dem König, nennen ihn nur Leo, den Lügner.«
»Mag der König ihn etwa?«, fragte Julia. »Oh, Leo hat sich sehr geschickt bei ihm eingeschmeichelt. Inzwischen ist er der wichtigste Berater des Königs. Er war es auch, der auf die Idee mit den Schokokalenderhäusern gekommen ist. Es ärgert ihn furchtbar, dass der König die alten Häuser nicht einfach abreißen lässt und für jedes zehn Schokohäuser hinbaut. Er hat vor Wut geschäumt über deinen Besuch.«
»Das habe ich gemerkt!« Julia kicherte. »Und was ist mit dem Sohn des Königs, den du grüßen sollst? Ist das ein richtiger Prinz?«
»Na klar! Er heißt Prinz Harry und ist sehr nett.«
»Und wieso wohnt er hier und nicht im Schloss?«
»Na, weil es ihm hier gefällt«, antwortete Jakobus, »und weil er Leo, den Lügner, nicht ausstehen kann. Er war es leid, ihm im Palast ständig über den Weg zu laufen. Sie streiten sich jedes Mal furchtbar, wenn sie sich sehen. Prinz Harry will nämlich die Schokohäuser abschaffen lassen, sobald er König wird. Und das gefällt Leo gar nicht. So, fertig!« Jakobus stülpte sich die Perücke wieder auf den kahlen Kopf.
»Wann wird der Prinz denn König?«
»Also, wenn das mit der Vergesslichkeit des Königs so weitergeht«, der kleine Mann zuckte die Achseln, »dann sicher bald.«
»Das ist ja wunderbar«, rief Julia, »dann gibt es bestimmt bald wieder ganz viele Kalenderhäuser.«
»Tja«, seufzte Jakobus, »ich fürchte, dass Leo, der Lügner, das nicht so einfach zulassen wird. Harry sollte sich vor ihm in Acht nehmen. Ich habe schon sehr lange das Gefühl, dass er irgendetwas im Schilde führt.«
Julia dachte an die Eisnadelaugen von Fürst Leopold und schauderte.
»Ich würde den Prinzen zu gern mal sehen«, seufzte sie.
»Das wirst du auch bald«, sagte Jakobus. »Die zwei alten Elfen, die unter mir wohnen, haben sich nämlich etwas ganz Besonderes für dich ausgedacht.«
»Alte Elfen?«, fragte Julia verblüfft. »Werden Elfen denn auch alt?«
»Natürlich!« Der kleine Mann kicherte vergnügt. »Was hast du denn gedacht?«
»Und was haben sie sich für mich ausgedacht?«
»Sie werden ein Fest für dich veranstalten – mit allen Bewohnern dieses Hauses, und zwar am Nikolausabend. Wie findest du das?«
»Oh!«, sagte Julia, mehr fiel ihr nicht ein.
»Freust du dich nicht?«, fragte Jakobus besorgt.
»Ich bin ganz platt!«, sagte Julia. »Ich weiß überhaupt nicht, was ich sagen soll. Ein Fest nur für mich?«
»Ja!« Jakobus lächelte stolz. »Allerdings wirst du dafür hinter den nächsten Fenstern nur zugezogene Gardinen zu sehen kriegen. Schließlich müssen wir alles vorbereiten. Aber am Nikolausabend kommst du zu mir, und wir gehen zusammen runter. Einverstanden?«
»Einverstanden!« Julia strahlte. »Ach, ich kann es jetzt schon kaum noch erwarten. Ich – «, plötzlich wurde sie starr vor Schreck und blickte in ihr Zimmer. »O nein!«
Ihre Tür war aufgegangen, und hereinspaziert kam – wer wohl – Olli natürlich. Überrascht sah er auf ihr leeres Bett.
»Oh, wer ist das denn?«, fragte Jakobus neugierig.
»Mein Bruder!« Julia sprang auf. Olli sah unter ihr Bett und hinter die Tür. Dann stürzte er aus dem Zimmer. »Ich muss schnell zurück!« Hastig lief sie zu dem offenen Kalenderfenster. »Sonst kriege ich Ärger!«
»Wieso Ärger?«, fragte Jakobus verdutzt. »Das erklär ich dir ein anderes Mal.« Julia trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. Wie lang dauerte das bloß? Sie starrte doch bestimmt schon eine Ewigkeit in ihr Zimmer.
»Bis Nikolaus dann!«, hörte sie Jakobus sagen, aber bevor sie antworten konnte, plumpste sie auf ihr Bett. Olli brüllte unten wie ein Verrückter herum.
Sie griff sich rasch ein Buch und legte sich damit aufs Bett. Jemand kam die Treppe rauf.
»Sie ist wirklich weg, Mama!«, hörte sie Olli sagen.
»Wirklich!«
Einen Atemzug später stürzte er in ihr Zimmer.
Mama zerrte er hinter sich her.
»Aber da ist Julia doch«, sagte sie ärgerlich.
»Sie war aber weg!«, brüllte Olli und bekam einen knallroten Kopf vor Wut. »Sie war weg!«
»Julia, weißt du, was er
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