Hintergangen
Pause hatte mir wieder ein winziges Stückchen von meiner Selbstachtung zurückgegeben. Am Abend von Hugos Rückkehr sollten wir auf eine Charity-Veranstaltung im Dorchester gehen, und ich wollte ihn dort treffen. Ich hatte beschlossen, nicht das anzuziehen, was er für mich ausgewählt hatte. Ich war einfach nicht mehr die Frau, in die er sich verliebt hatte. Also bin ich allein einkaufen gegangen und habe ein traumhaftes Kleid gefunden, tiefblau, aus dem weichsten Samt, den du dir vorstellen kannst. Es hatte ein Oberteil ohne Träger, das meine Figur perfekt umschmeichelt hat und mir bis knapp zu den Hüften gegangen ist. Damals hatte ich noch Hüften. Der Rock ist aus dem gleichen Stoff gewesen, aber glatt bodenlang geschnitten, mit Knieschlitz. Um den Hals habe ich ein schlichtes Silberband getragen und mir die Haare wieder in meinen natürlichen Ton zurückfärben lassen, weg von dem Rot, einfach wieder brünett, hat zu dem Kleid aber sagenhaft ausgesehen, und plötzlich habe ich mich wieder wie ich selbst gefühlt.
Ich hatte mich mit Hugo dort verabredet und bin mit dem Taxi hingefahren. Ich wollte einen möglichst großen Auftritt hinlegen und bin daher einige Minuten später los. Ich habe mich zwischen den Tischen hindurchgeschlängelt, bis zu der Stelle, wo Hugo mit ein paar von seinen supererfolgreichen Charity-Leuten gesessen hat. Sämtliche Männer haben sich umgehend erhoben, und sogar die Frauen haben mir zugelächelt. Ich wusste, dass ich umwerfend aussah.«
Laura erinnerte sich, dass sie nach einem bewundernden Blick in Hugos Augen gesucht hatte, und als der gefehlt hatte, war sie plötzlich unruhig geworden. Sie war sich so sicher gewesen, dass er sich wieder ganz neu in sie verlieben würde.
»Wie immer bei diesen Veranstaltungen haben Hugo und ich nicht nebeneinandergesessen, doch er ist unverzüglich aufgestanden und zu mir herübergekommen, um mir den Stuhl hinzurücken. Als ich mich gesetzt hatte, hat er sich noch zu mir runtergebeugt und mir etwas ins Ohr geflüstert. Alle am Tisch haben natürlich gedacht, es sei ein Kompliment gewesen oder zumindest etwas Liebevolles. Tatsächlich hat er gesagt: ›Du siehst aus wie eine dreckige Hure.‹«
Imogen musterte Laura voller Entrüstung.
»Wieso, ach, wieso hast du denn keinem was gesagt?«
»Weil ich mich inzwischen so geschämt habe, weil es mir so peinlich gewesen ist und ich nicht gewusst habe, was ich falsch gemacht hatte. Ab da gab es kein Entkommen mehr. Ich war überzeugt, alles wäre meine Schuld. Ich habe mich bei Hugo für mein schlechtes Urteilsvermögen entschuldigt, und er hat mir verziehen. Ab dem Punkt habe ich nicht mehr rebelliert, sondern mich damit begnügt, eine gute Ehefrau und Stiefmutter für Alexa zu sein. Dieser Teil ist mir auch gar nicht schwergefallen. Ich habe mir nie wieder die Haare rot gefärbt und mich nie mehr bemüht, sexy oder attraktiv auszusehen. Ich habe das Aussehen einer Frau kultiviert, der inzwischen alles egal war. Auf die Art, so hatte ich gehofft, würde er mich in Ruhe lassen.«
Laura stand vom Bett auf und ging aufs Fenster zu. Sie konnte Imogens mitleidigen Blick nicht mehr ertragen.
Und sie verschwieg ihr, dass ab diesem Tag zu den Geschenken auf dem Bett etwas hinzugekommen war, das sie noch viel abstoßender fand.
24. Kapitel
T oms Vorhaben, nach Oxfordshire zurückzufahren, wurde von einer schier endlosen Flut an verschiedenen Informationen vereitelt, von denen jede den Durchbruch hätte bedeuten können.
Die Skizze von der Frau, die beim Verlassen von Hugo Fletchers Haus gesehen worden war, hatte nach ihrer Veröffentlichung in mehreren Zeitungen eine Reihe von Anrufen zur Folge gehabt. Der vielversprechendste kam von jemandem, der beobachtet hatte, wie eine Frau, auf die die Beschreibung zutraf, von Egerton Crescent kommend auf die U-Bahn-Station South Kensington zugesteuert war. Leider hätte sie von dort die Piccadilly, District oder Circle Line nehmen können, und zwar in jeder Richtung. Weil der Zeitrahmen aber stimmte, war man jetzt dabei, das mit anderen Aussagen und dem Filmmaterial von Überwachungskameras zu vergleichen, um daraus Rückschlüsse auf ihr Ziel zu ziehen. Sie hätte natürlich mehrmals umsteigen können, aber vielleicht hatten sie Glück.
Ein paar Mitarbeiter im Team nahmen Hugos Stiftung genau unter die Lupe, und Tom war gespannt auf ihren Bericht. Irgendetwas entging ihnen, das wusste er einfach. In der Zwischenzeit war Ajay beauftragt worden, das vermisste
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