Hintergangen
Mühen auch lächerlich. Warum braucht es erst eine Krise, bis ich erkenne, was schon seit Monaten glasklar ist? Hat Hugo eigentlich jemals meine Meinung berücksichtigt? Ist ihm jemals auch nur für einen Augenblick in den Sinn gekommen, dass er sich vielleicht irren könnte?
Alles, was er tut, scheint er für mich zu tun. Aber nur, damit er die Kontrolle behalten kann. Oder ist er der großzügige, aufmerksame Mensch, als der er immer auftritt, stets darauf bedacht, mir das Leben zu erleichtern? Er begleitet mich zum Kleiderkauf – er sagt, er kennt die besten Geschäfte, begleicht die Rechnung. In Restaurants wählt immer er die Speisen aus, weil er behauptet, er kennt die Spezialitäten jedes Restaurants. Er hat sogar die Hochzeit organisiert – als sein besonderes Geschenk an mich.
Also, ich weiß wirklich nicht. Was ist er? Kontrollsüchtig oder ein liebevoller, rücksichtsvoller, aufmerksamer Mann? Meine ganze Welt hat sich im Kreis gedreht, und so habe ich nur den Kopf in die Hände gestützt, mich auf die Bettkante gesetzt und hemmungslos geweint.
Ein leises Geräusch hat mich plötzlich hochschrecken lassen.
»Geht’s dir gut, Laura?«
Ich habe die Hände vom Gesicht genommen und direkt in Alexas hübsches, besorgtes Gesichtchen gesehen. Ganz in diverse Schattierungen ihres geliebten Rosa gekleidet, hat mich die Kleiderauswahl – zweifellos ihre eigene – zunächst zum Blinzeln gebracht. Allerdings kann nichts von der Schönheit dieses Kindes ablenken.
»Daddy hat mich geschickt, ich soll dich wecken. Er sagt, es ist Zeit, dass du aufstehst. Geht’s dir denn gut?«, hat sie wiederholt gefragt.
Ich habe zwar genickt, aber immer noch mit den Tränen kämpfend.
»Willst du ein bisschen knuddeln? Daddy sagt, knuddeln hilft immer, und er mag mein Geknuddel.«
Ich habe die Arme ausgestreckt, um Alexas kleinen Körper zu umfassen, und mir gewünscht, von ganzem Herzen, Hugo hätte mir angeboten, mich zu knuddeln. Das wäre immerhin etwas gewesen.
»Danke, Alexa. Das hab ich jetzt gebraucht.« Ich habe sie sanft aus meinen Armen entlassen. »Sag Daddy, ich dusche gleich und bin in einer halben Stunde unten. Kannst du dir das merken?«
Alexa hat mich daraufhin vorwurfsvoll angesehen, als wären auch komplexe Botschaften für sie ein Kinderspiel. Sie hat sich zu mir gebeugt, mir einen Kuss auf die Wange gegeben und gesagt: »Ich bin froh, dass du hier bist, Laura. Ich mag dich.«
Dann ist sie mit einem fröhlichen Lächeln aus dem Zimmer gehüpft.
Jetzt kam zu der ganzen Verwirrung auch noch Alexa hinzu. Ich musste mich zwingen, aufzustehen und mich unter die heißeste Dusche zu stellen, die ich nur aushalten konnte. Ich habe versucht, die Situation rational zu betrachten. Hugo und ich sind einfach sehr, sehr verschieden. Wir sind mit unterschiedlichen Werten aufgewachsen, und vielleicht ist das Schlafen in getrennten Zimmern für Menschen in seiner Welt ja die Norm.
Ich habe vermutlich überreagiert. Ja, es ist wahr, das Ganze ist nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Das muss ich nun also ändern. Ich muss dafür sorgen, dass er begreift, dass er nicht ohne mich schlafen kann. Das wird ihm aber nicht mit dem Holzhammer beizubringen sein. Die einzige Art, mit Hugo umzugehen, ist, sich fügsam zu zeigen. Streiten hilft nicht. Ich muss es anders versuchen, ihm klarmachen, was ihm entgeht.
Hier bin ich nun also am Ende des ersten Tags meiner Ehe, theoretisch um mich vor unserer Abreise heute Abend auszuruhen. Ich weiß immer noch nicht, wo wir hinfahren. Noch so eine von Hugos Überraschungen, doch er behauptet, es wird mir gefallen. Und ich glaube ihm.
Nach jenem grässlichen Auftakt mit meiner Weltuntergangsstimmung fühle ich mich jetzt viel positiver. Ich habe die Haushälterin kennengelernt – eine angenehme Person namens Mrs Bennett, die darauf besteht, mich »Euer Ladyschaft« zu nennen, obwohl ich sie gebeten habe, sie soll mich Laura nennen. Hugo meint, ich kann mir die Angestellten selbst aussuchen, vorausgesetzt, sie wohnen nicht im Haus.
Na, jedenfalls habe ich ihm schon gesagt, dass ich für ihn kochen will, wir also keinen Küchenchef brauchen. Ich werde ihn mit der Zeit schon weichkriegen!
Es hat bloß einen kniffligen Moment gegeben. Ich muss mich wohl daran gewöhnen, dass ich mir bei Hugo und Alexa manchmal wie eine Außenseiterin vorkomme. Die beiden haben einander seit Alexas Geburt, es ist also kein Wunder, dass es so aussieht, als würde ich mich
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