Hintergangen
wird er mir also sicher nicht, und ich kann dir ungestört schreiben.
Jedenfalls komme ich noch mal zurück auf den ersten vollen Tag meiner Flitterwochen. Obwohl ich mich an dem Morgen scheußlich gefühlt habe, habe ich mich gezwungen, aufzustehen und mich anzuziehen. Ich war ja immerhin in Venedig, für mich die romantischste Stadt auf Erden. Ich weiß, du warst noch nie dort, aber wenn man die Menschenmenge hinter sich lässt, kann man durch offene Fenster und heruntergelassene Jalousien Gelächter, Rufen und Singen hören, Kochdüfte – von Knoblauch, Kräutern und Tomaten – ziehen aus den Häusern und vermischen sich mit dem muffigen, erdigen Geruch des Wassers. Eine Art immerwährende Freude liegt über allem.
Also habe ich mir immer wieder in Erinnerung gerufen, dass Hugo derjenige war, der diese perfekte Hochzeitsreise organisiert hat. Vielleicht hat er noch nie eine liebevolle Beziehung gehabt – mit Annabel war er jedenfalls nicht glücklich. Und es gibt nichts, was sich nicht in Ordnung bringen lässt.
»Es gibt kein Problem, es gibt bloß eine Lösung«, habe ich früher bei der Arbeit immer gesagt. Für die verbleibende Zeit unseres Aufenthalts in Venedig hatte ich mir fest vorgenommen, alles zu tun, damit er sich wohlfühlt, ihm die Sicherheit meiner Liebe zu geben. Ich war mir sicher, ihn ändern zu können.
Und so habe ich Hugo mit einem freundlichen Lächeln begrüßt, als ich auf unsere Privatterrasse hinausgetreten bin, wo ein köstliches Frühstück aufgetischt worden war. Ich habe mich hinuntergebeugt und ihm einen sanften Kuss auf den Kopf gegeben.
»Guten Morgen, Liebling. Ich hoffe, du hast gut geschlafen. Was hast du denn für heute geplant?«
Hugo war anscheinend zu seiner üblichen guten, wenn auch etwas reservierten Stimmung zurückgekehrt. Falls ihn meine so offen zur Schau getragene Fröhlichkeit überrascht hat, hat er es sich jedenfalls nicht anmerken lassen.
»Ja, ich habe mir eine kleine Route überlegt. Ich bin über die Jahre schon oft hier gewesen, und es wird mir ein Vergnügen sein, dir das Beste zu zeigen. Schau es dir mal an und sag, was du davon hältst.«
Der Blick auf den Reiseführer hat mir gezeigt, dass Hugo in seiner ordentlichen Handschrift für jeden Tag in Venedig eine Liste mit geplanten Aktivitäten notiert hat. Der Mut hat mich fast verlassen, als ich seine Punkte mit der höchsten Priorität gesehen habe. Du weißt, ich gehe gern mal in eine Kunstgalerie, sitze aber auch liebend gern draußen vor einem Café und schaue der Welt zu, wie sie vorüberzieht. Ich wollte auf dem Markusplatz entspannen und all den kleinen Orchestern lauschen, die miteinander um Aufmerksamkeit wetteifern. Ich wollte, dass wir zusammen in ein Wassertaxi springen und uns zum Mittagessen ein ruhiges Plätzchen voll mit Einheimischen suchen.
Doch wenn ich eines gelernt habe, dann dies: Der Weg zum Erfolg besteht darin, Hugos Pläne nicht zu kritisieren. Es war unser erster Tag, und der musste stressfrei sein. Das Einfachste wäre, bei allem mitzumachen, was er wollte, und dann vielleicht, wenn er in entspannter Stimmung war, den einen oder anderen Vorschlag einzubringen.
»Das sieht toll aus, Liebling. Ich glaube aber, ich ziehe lieber flache Schuhe an, es ist bestimmt ganz schön viel zu laufen.«
Hugo legte das Messer hin, mit dem er gerade seinen Toast gebuttert hatte, und musterte mich fragend.
»Ist das ein Problem für dich?«
»Nein, gar nicht. Ich überlege bloß, was ich mitgenommen habe. Nach dem Frühstück schaue ich mal nach. Du hast mir ja beim Packen geholfen – ich bin also sicher, es ist etwas Geeignetes dabei.«
Damit war der Ton für unsere Tage vorgegeben – und für unsere Beziehung. Jeden Tag sind wir von einer berühmten Sehenswürdigkeit zu einer weniger berühmten Kunstgalerie gepilgert. Ich habe ein paar Taktiken ausprobiert, um ihn von seinem Routenplan abzubringen, allerdings ohne großen Erfolg.
Einmal, als wir an einer Wassertaxi-Haltestelle vorbeigekommen sind, ist gerade ein Boot herangefahren.
»Ach, schau mal, Hugo – können wir nur für ein halbes Stündchen aufspringen und sehen, wohin es uns bringt?«
»Laura, das ist ein Bus !«, sagte er. »Wirklich, Liebling, ich bin es nicht gewohnt, in Busse zu steigen, auch wenn sie schwimmen und in der schönsten Stadt der Welt sind. Wenn du schon aufs Wasser musst, mieten wir eine Barkasse, dann kannst du nach dem Mittagessen herumfahren, während ich Zeitung lese. Was hältst du
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