Hinterhalt am Schwarzen Fels
untertauchen
wollte. Dieser Typ hieß Harald Smith-Usher.
Smith-Usher gehörte schon
damals zur HDE, aber noch nicht zum harten Kern. Er stammte aus einer Familie,
in der Kriminalität Tradition hatte. Sein Großvater war einer der Letzten
gewesen, die man in England hingerichtet hatte. Wegen Mordes an drei Frauen,
reichen Frauen, die dem Heiratsschwindler aufgesessen waren. Noch vor seiner
Festnahme hatte er deren Vermögen — hauptsächlich Schmuck und Juwelen — an sich
gebracht. Es war nie gefunden worden. Haralds Vater, der ein talentierter
Taschendieb war, hatte sich nicht getraut, davon Gebrauch zu machen.
Obwohl vergleichsweise harmlos,
starb auch er eines gewaltsamen Todes, fiel nämlich auf der Flucht vor einem
Polizisten, einem Bobby, in eine Baugrube und brach sich den Hals. Sohn Harald
war nicht traurig. Er hatte seinen Vater immer als Weichei eingeschätzt und
konnte nun endlich das Vermögen — Schmuck und Juwelen — ins Ausland schmuggeln,
wo er bei deutschen Hehlern einen annehmbaren Preis erzielte. Davon kaufte er
den Unterströter-Hof. Außerdem erhielt er, Harald Smith-Usher, Aufenthalts- und
Arbeitsgenehmigung, denn es lag nichts gegen ihn vor. Polizeibekannt waren nur
seine Altvorderen gewesen, aber auch über die breitete sich in London bereits
das behördliche Vergessen.
Harald Smith-Usher hatte genug
Geld. Er brauchte nicht zu arbeiten. In der HDE fühlte er sich zu Hause. Die
Typen dort hielten zusammen wie in einer großen Familie — einer Familie, die
gut funktioniert. Für Smith-Usher war’s eine Ehre, dass er seinen Bauernhof nun
als Versteck anbieten konnte — als Zentrale für das Kommandounternehmen.
Jetzt, am frühen Nachmittag
nach der Pleite, hatten sich die Terroristen auf ihre Zimmer verteilt. Einige
hörten Radio, andere pennten, Gruber trank Whisky und rauchte dazu eine
salamidicke Havanna, Smith-Usher sockte in den Wohnraum, wo Westor vor der
Glotze saß und sich eine Nachrichtensendung des örtlichen TV-Senders ansah.
»Geht’s um uns?«, fragte der
Engländer. Er sprach fließend Deutsch mit nur leichtem Akzent.
Westor nickte. »Sie haben die
Schule gezeigt. Einige Lehrer wurden interviewt. Eine Tussi hat immer noch
gezittert und ins Mikrofon gestammelt. Ich glaube, die Tante aus dem
Sekretariat.«
»Haben sie die Krankenschwester
gezeigt?«
»Die auch. Sie sagte, du
müsstest eigentlich nach Urin riechen, falls du nicht inzwischen gebadet hast.
Jedenfalls hätte sie dir ein offenes Fläschchen an den Kopf geworfen.«
»Nicht eins, sondern zwei.«
»Und? Hast du inzwischen
gebadet?«
»Rieche ich?«
»Ihr Engländer riecht immer
nach Lavendelwasser. Wahrscheinlich schon als Baby in der Windel.«
»Wir haben eben Stil«, grinste
Smith-Usher. Dann zog er ein schwarzsilbriges, klappbares Handy aus der Tasche.
»Das ist doch deins?«
»Himmel, ja! Mann, Harald, wo
hast du’s gefunden?«
»In der Abfalltonne.«
»Was? Wo?«
»Zufall. Ich hab was
reingeworfen. Dabei ist mir die Uhr vom Handgelenk gerutscht. Musste wühlen
nach ihr zwischen tagealtem Abfall. Dabei bin ich auf dein Handy gestoßen. Es
lag in einer dieser Schachteln, in denen du deine Fitness-Pillen hast.«
»Nahrungsergänzungsmittel.
Verdammt! Dann ist es mir da reingeraten, als ich die leeren Schachteln
entsorgt habe.«
Er klappte das Handy auf. Der
Akku hatte noch Saft. Er wählte die Nummer zum Abhören der Mailbox und presste
sich das Gerät ans Ohr. Natürlich! Er habe eine Nachricht, erklärte die
Frauenstimme, vom Freitag, 7:05 Uhr. Dann hörte Westor die Stimme seines
Informanten und merkte nicht, wie er — immer noch wütend auf sich — mit den
Zähnen knirschte.
Smith-Usher beobachtete ihn,
konnte aber nichts verstehen. Westor klappte das Handy zu. Smith-Usher grinste.
»Hm, Freddy«, meinte er, »die
Aktion hätten wir uns sparen können, wie? Die Nachricht von der vorgezogenen
Klassenfahrt ist an dir vorbeigerauscht wie der Nordwind, wenn er von Westen
kommt.«
Westor hob nur die Schultern.
Er hatte die Nachricht gelöscht und schob das Handy in die Gürteltasche. »Meine
neuen Infos sind zuverlässig. Heute Nacht sind wir am Ball. In einer Stunde
brechen wir auf.«
»Mit dem Helikopter?«
»Der bleibt hier. Wozu haben
wir unsere Fahrzeuge?!«
Damit waren nicht
Privatfahrzeuge gemeint, sondern zwei unauffällige Vans: Kleinbusse mit
zusammen 16 Sitzen. Also war Platz für fünf oder sechs Geiseln — und mehr waren
nicht vorgesehen.
»Was denken sich die
Weitere Kostenlose Bücher